Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers
auf. «Laß den Schmerz und den Zorn wieder in dir aufsteigen.»
«Also gut. Ich spüre das alles wieder.»
«Und nun stell dir vor, daß der Mensch, mit dem du dich streitest, mitten in eurer erregten Auseinandersetzung plötzlich nach seinem Herzen faßt, einen Schrei ausstößt und zu deinen Füßen tot zu Boden sinkt.»
«O Gott», stieß ich hervor, als ich mir die Szene ausmalte.
«Was ist jetzt mit deinem Zorn? Wo sind dein Neid und deine Eifersucht, dein Groll und dein Schmerz?»
«Sie sind weg», antwortete ich. «Aber — aber was wäre, wenn ich mich über den Tod dieses Menschen freuen würde? Wenn ich ihm nicht verzeihen könnte?»
«Dann verzeih dir wenigstens selber deine Unversöhnlichkeit. Und in dieser Vergebung wirst du das Mitgefühl finden, das deinen Schmerz heilt, als Mensch in dieser Welt zu leben. Du kannst das Gefühl der Vergebung in dir wachrufen, wann immer du es nötig hast», setzte sie hinzu. «Du brauchst dir nur vorzustellen, wie dein Freund, deine Geliebte oder dein Gegner tot zu deinen Füßen liegt, so wie du eines Tages zu Füßen des Geistes liegen wirst. Dann wirst du alles mit anderen Augen sehen, denn der Tod macht uns alle gleich. Wir alle werden eines Tages diese Welt verlassen und die Menschen, die wir lieben. Wir alle empfinden Hoffnung und Verzweiflung; wir alle haben unsere Träume und Enttäuschungen. Im Geheimnis des Lebens sind wir alle miteinander verbunden, und wir tun alle unser Bestes.»
«Vielleicht hat Plato das gemeint, als er schrieb: »
«Ja», antwortete die weise Frau. «Jetzt hast du es begriffen.» Mit diesen Worten ging sie zu einem Bett aus Laub und legte sich darauf. Ich betrachtete sie noch einige Sekunden im flackernden Schein der allmählich verlöschenden Glut.
Das Gesetz des Glaubens
Wie man im Vertrauen auf den Geist lebt
Der Glaube verbindet uns mit der Weisheit des Universums.
Er erinnert uns daran, daß wir mehr wissen,
als wir gehört oder gelesen oder studiert haben —
da— wir nur schauen und lauschen müssen
und auf die Liebe und Weisheit
des Allumfassenden Geistes vertrauen,
der in uns allen wirkt .
Der Glaube fordert die Seele dazu heraus,
weiter zu gehen, als sie sehen kann .
William Clarke
A ls ich erwachte, war die Frau fort. Ich hatte keine Ahnung, ob sie wiederkommen würde. Eilig erhob ich mich, ging hinaus und blickte mich suchend nach ihr um, aber es war keine Spur von ihr zu entdecken, nicht einmal ein Fußabdruck. So verging Minute um Minute, und Zweifel begannen mein Gemüt zu überschatten wie dunkle Wolken. Existierte diese Frau überhaupt, oder war das alles nur ein seltsamer Traum gewesen? Nein, natürlich war es Realität.
Als ich den Wald mit meinen Augen absuchte, entdeckte ich sie. Sie stand reglos im Morgenschatten neben drei Rehen: einer Ricke mit ihren zwei Kitzen. In diesem Augenblick schien sie selbst eines der Tiere zu sein, ein Reh in menschlicher Gestalt, und ich kam mir vor wie ein Fremdling. Sie drehten sich alle gleichzeitig um und entdeckten mich. Dann verschwanden die Rehe im schützenden Dickicht des Waldes, und die weise Frau kam auf mich zu.
«Ich möchte dir etwas zeigen», sagte sie und gab mir eine Handvoll der ersten Blaubeeren dieses Frühjahrs. «Die Rehe fressen sie gern, aber dir werden sie vielleicht zu bitter sein.» Sie hatte recht; trotzdem stillten die Beeren meinen Hunger und schenkten mir ein Gefühl der Leichtigkeit und Vitalität. Dann begaben wir uns auf unsere morgendliche Wanderung. Wir machten nur Rast, um mit den Händen das kühle Naß aus einem kleinen Wasserfall aufzufangen und zu trinken.
Schritt für Schritt folgte ich ihr bis an einen kleinen, grasbewachsenen Hügel, wo viele bunte Blumen wuchsen — rote, gelbe und leuchtend blaue.
«Wenn ich Blüten sehe, die sich im Morgenlicht öffnen, muß ich immer an das Gesetz des Glaubens denken», sagte die weise Frau.
«Geht es bei diesem Gesetz um Religion?» fragte ich.
«Man muß nicht unbedingt an einen äußeren Gott glauben», lächelte sie. «Doch wenn man Blumen liebt, wird man zwangsläufig auch Gott lieben; das hat nichts mit Glauben zu tun, sondern mit dem Gefühl ehrfürchtigen Staunens vor etwas Geheimnisvollem. Das Gesetz des Glaubens lehrt uns, auf die Liebe und Intelligenz zu vertrauen, die der ganzen Schöpfung innewohnt.»
«Also ich kann beim besten Willen nicht behaupten, daß ich jedem
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