Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers
Ganz in Gedanken über Konventionen, Wünsche, Sehnsüchte und das Gesetz der Integrität versunken, schritt ich dahin und wäre beinahe mit der weisen Frau zusammengestoßen. Sie war stehengeblieben, um mir eine Eidechse zu zeigen, die aus einer Felsspalte spähte. «Diese Eidechse will nichts anderes sein, als sie ist», erklärte die Frau. Sie begann mir Einzelheiten unserer Umgebung zu zeigen: «Das da ist ein Baum, das dort drüben ist ein Bach ...»
«Ja», unterbrach ich sie. «Ich sehe den Baum und den Bach.»
«Aber spürst du sie auch?»
«Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.»
«Im Gegensatz zu den Geschöpfen der Natur sind wir Menschen von den künstlichen Konstruktionen unserer Gesellschaft umgeben und von unserer wahren Natur abgeschnitten.»
Dann senkte sie ihre Stimme beinahe zu einem Flüstern
und setzte hinzu: «Die Schamanen, die Heiler der Naturvölker, beherrschen die Kunst, ihre Gestalt zu wechseln. Dabei geht es nicht so sehr um Veränderung des Körpers als vielmehr um Bewußtseinserweiterung. Man ‹wird› zum Tier, zum Baum oder zum Bach, wenn man die Existenz dieser Lebensformen wirklich fühlt, von ihnen lernt und sich so mit ihnen identifiziert, daß man ihre innersten Eigenschaften spürt. Das ist nur deshalb möglich, weil dein größeres Selbst all diese Lebensformen umfaßt.»
«Und was hat das mit dem Gesetz der Integrität zu tun?»
«Ich habe mir gedacht, daß du diese Frage stellen würdest», lächelte sie. «Mein Freund Laotse hat einmal gesagt: «Und wenn ich gern mehr wäre?» fragte ich.
«Mehr?» Die weise Frau lächelte. «Wie könntest du mehr sein? Du bist doch schon ein unbegrenztes, endloses Wesen! Wenn du stirbst, lieber Wanderer, wird dich am Himmelstor niemand fragen, ob du ein Heiliger warst. Man wird dich fragen, ob du wirklich du selbst gewesen bist.
Die Weisen aller Zeitalter», fuhr sie fort, «von Plato bis Shakespeare, ermahnen uns: ‹Erkenne dich selbst› und ‹Sei deinem eigenen Ich treu›. Integrität bedeutet, integriert zu sein, sich selbst zu kennen und sich selbst zu sein, damit alle Handlungen echt sind und höchsten Absichten entsprechen. Dein Körper, dein Geist, deine Gefühle und deine Lebenseinstellung sollen einander ergänzen und ein Ganzes bilden, das größer ist als die Summe seiner Teile.
Es hat keinen Sinn, über Integrität zu sprechen, solange wir unsere innersten Triebe, Wertvorstellungen und Motive nicht kennen. Wir müssen uns so akzeptieren, wie wir wirklich sind, statt immer noch an unserer Vorstellung von dem Menschen zu hängen, der wir gern wären oder der wir zu sein vorgeben. Ein Mensch beschenkt die Armen aus Liebe und Mitleid, ein anderer vielleicht nur aus Schuldgefühlen heraus oder aus Imponiergehabe. Beide Menschen sind mildtätig; doch nur einer der beiden handelt aus innerer Integrität. Unsere Motive und Intentionen spielen eine wichtige Rolle, sowohl für denjenigen, der gibt, als auch für denjenigen, der empfängt. Schließlich geben wir viel mehr als nur Münzen, wir beschenken unsere Mitmenschen mit der unseres eigenen Ichs.»
«Allmählich bekomme ich den Eindruck, daß Integrität viel schwerer zu erreichen ist, als ich dachte.»
«Alles ist so lange schwierig, bis es leicht für uns wird», antwortete die weise Frau. «Es erfordert viel Mut und Offenheit, eine solche Echtheit zu erlangen, daß man zu sich selbst und der Welt sagen kann: «Vielleicht hat Mahatma Gandhi das gemeint, als er sagte: ‹Mein Leben ist
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