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Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers

Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers

Titel: Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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treffe?»
    Sie lächelte. «Nein, das nicht. Du sollst nur auf den Gipfel steigen und eine halbe Stunde später wieder zurück sein.»
    Ich blickte zum Gipfel des Hügels empor. «Nur eine
halbe Stunde? Selbst wenn ich hin und zurück rennen würde, glaube ich trotzdem nicht — das heißt, natürlich könnte ich es mit dem Gesetz der Erwartung probieren...»
    «Du hast noch neunundzwanzig Minuten», sagte sie.
    Ich verstummte und rannte los. Es war ein anstrengender Dauerlauf. Nach der Hälfte des Weges war ich so außer Atem, daß meine Lungen schmerzten und ich mir überlegte, ob ich umkehren sollte, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Ich schien mit meiner Kraft am Ende, aber das durfte nicht sein! Also rannte ich weiter und überwand meinen toten Punkt.
    Als ich zurückkehrte, wäre ich beinahe ohnmächtig zu den Füßen der weisen Frau niedergesunken. Ich kam zehn Minuten zu spät. Keuchend überlegte ich, was dieser Mißerfolg wohl zu bedeuten hatte. Da fragte sie mich: «Warum bist du nicht schon vor dem Gipfel umgekehrt? Dann hättest du rechtzeitig wieder hier sein können. Und wer hätte schon gewußt, daß du nicht ganz oben warst?»
    « Ich », sagte ich und schnappte nach Luft. «Ich hätte es gewußt.»
    Da lächelte sie mich zufrieden an. «Genau das ist der springende Punkt: Beim Gesetz der Integrität geht es darum, nach deiner höchsten Vision zu leben, selbst wenn deine Wünsche und Triebe dich in eine andere Richtung drängen. Es geht um dein Verhalten, wenn du dich unbeobachtet fühlst.»
    Ich war immer noch schweißgebadet. Die weise Frau führte mich über eine Anhöhe hinweg zu einem Tümpel, der noch voller Wasser von den Regenfällen des letzten Winters war. Ohne jede Befangenheit zog sie sich aus und stieg ins Wasser. Ich tat das gleiche. Es kam nicht jeden Tag vor, daß ich allein in den Bergen halbnackt mit einer Frau badete, mit der ich nicht verheiratet war. Die weise Frau sah
attraktiv aus; unwillkürlich fragte ich mich, ob sie wohl so etwas wie ein Liebesleben hatte. Gleich darauf plagten mich Gewissensbisse. Zwar hatte ich ihr gegenüber — schon wegen meiner Prinzipien — keine sexuellen Absichten, aber ein flüchtiger Gedanke daran war mir doch gekommen, das ließ sich nicht leugnen.
    Genau in diesem Augenblick wandte sie sich zu mir um und antwortete auf meine unausgesprochenen Worte: «Die ungeschriebenen Gesetze der Gesellschaft zu brechen ist wie Schwimmen gegen den Strom — den Strom der geltenden Moralvorstellungen. Du kannst das tun, wenn es dein sehnlichster Wunsch ist, aber das Leben wird dadurch schwieriger und anstrengender. Denn dein Tun hat Konsequenzen.»
    «Zum Beispiel?»
    «Zum Beispiel bringst du damit andere Menschen, die diese Wertvorstellungen sehr ernst nehmen, aus dem inneren Gleichgewicht.»
    «Demnach bedeutet Integrität, sich an die sozialen Konventionen zu halten?»
    «Die Konventionen der Gesellschaft zu befolgen und Handlungen zu vermeiden, die als illegal oder unmoralisch gelten, hat nichts mit Integrität zu tun, sondern mit Intelligenz.»
    «Also rätst du zur Anpassung, weil man sich das Leben dadurch leichter macht?»
    «Ich bin weder für kritiklose Anpassung noch für blinde Rebellion. Du sollst nur offenen Auges durch die Welt gehen und mehr auf die Weisheit deines Herzens hören als den zufälligen Wünschen und Trieben in deinem Inneren nachzugeben oder sie gewaltsam zu unterdrücken. Befolge Martin Luthers Ratschlag zum Thema Integrität: »
    Tue, was du willst, wiederholte ich in Gedanken und
fragte mich, ob das wohl so etwas wie eine Einladung sein sollte und wie ich in diesem Fall reagieren würde. Doch schon bald unterbrach die weise Frau meine Grübeleien, indem sie sich wieder anzog und mir ein Zeichen gab, das gleiche zu tun. «Wie ich schon gesagt habe, lieber Wanderer: Das Gesetz der Integrität besagt, daß wir unsere innere Realität ehrlich zum Ausdruck bringen sollen. Und wenn wir uns in unserem Handeln von Neid, Habgier und Manipulationen beeinflussen lassen, sind die Konsequenzen unausweichlich; sie gehören zum Mechanismus des Universums. Wenn du ein spirituelles Gesetz brichst, trägt dieser Akt seine Strafe bereits in sich selbst; er setzt subtile Kräfte in Gang, deren Konsequenzen wir uns ebensowenig entziehen können wie dem Gesetz der Schwerkraft.»
    Inzwischen waren wir tiefer ins Tal vorgedrungen. Steile Hänge und dichtes Laub dämpften den Widerhall unserer Schritte.

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