Die Uno
Transformationsländer, sondern von zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen (NRO).
Die lautstarke Einmischung von NRO zugunsten einer sozial- und umweltverträglichen Gestaltung des Globalisierungsprozesses; die Privatisierung der Gewaltanwendung durch grenzüberschreitendoperierende Terrornetzwerke, die sich zum Ziel setzen, die globale Verbreitung des westlichen Zivilisationsmodells mit allen Mitteln zu bekämpfen; die sich häufenden humanitären Katastrophen in von Bürgerkriegen geschüttelten und zerfallenden Staaten; und nicht zuletzt die Hegemonialmacht USA, die zu Alleingängen und zum Ausscheren aus der Völkerrechtsgemeinschaft neigt – damit sind nur einige der Herausforderungen benannt, denen sich der aus Ghana stammende Nachfolger Boutros-Ghalis im Amt des Generalsekretärs,
Kofi Annan
(Amtszeit 1997–2006), gegenüber sah. Annan stellte sein Amtsverständnis im Sinne einer politisch aktiven Amtsführung ausdrücklich in die Tradition seines Vorbilds Dag Hammarskjöld. Neben der Suche nach Antworten auf die neue Sicherheitsbedrohung durch den transnationalen Terrorismus, die aus seiner Sicht die Bereitschaft zu einem grundsätzlichen Überdenken des vorhandenen sicherheitspolitischen Instrumentariums erforderte, setzte er sich die folgenden Aufgabenschwerpunkte: Die inneren Reformen des UN-Systems sollten konsequent weitergeführt werden, denn davon machten die USA ihre Bereitschaft abhängig, ihre Beitragsrückstände zu begleichen. Bei der umwelt- und sozialverträglichen Gestaltung des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses wollte er auf neue partnerschaftliche Formen der politischen Steuerung setzen, die mit einer Öffnung der UNO gegenüber privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren einhergehen sollten. Nicht zuletzt sollte die Lösung humanitärer Probleme einen sehr viel höheren Stellenwert erhalten. Diese Zielsetzung war weit weniger harmlos, als sie zunächst klingen mag, denn in ihr war der für die Vereinten Nationen riskante Sprengsatz einer Neubestimmung des Gewichtungsverhältnisses zwischen dem internationalen Schutz der staatlichen Souveränität und dem internationalen Schutz des Individuums angelegt.
Für diese Sichtweise waren die prägenden Erfahrungen maßgeblich, die Annan Mitte der neunziger Jahre als der für die Friedensoperationen der Vereinten Nationen verantwortliche Untergeneralsekretär gemacht hatte und die sich untrennbar mit den Namen Ruanda und Srebrenica verbinden. In beiden Fällen hatte sich die UNO als unfähig erwiesen, die Zivilbevölkerungzu schützen. Der Völkermord in Ruanda Mitte des Jahres 1994 war erst dadurch möglich geworden, dass die Vereinten Nationen den größten Teil ihrer zur Überwachung eines Friedensvertrags entsandten UNAMIR-Friedenstruppen zu einem Zeitpunkt abgezogen hatten, als gerade deren massive Verstärkung erforderlich gewesen wäre. Die Verschleppung und Ermordung von Flüchtlingen durch die bosnisch-serbische Armee unter den Augen untätiger Blauhelme-Soldaten stellte eine ähnlich traumatische Erfahrung des Versagens dar.
Vor diesem Hintergrund stellte Annan die bisher für die Friedensoperationen gültige Geschäftsgrundlage infrage. Er bekannte sich zum Vorrang des Schutzes der Zivilbevölkerung und jedes einzelnen Menschen vor dem staatlichen Souveränitätsanspruch. Bei zahlreichen Gelegenheiten stellte Annan immer wieder klar, dass das Recht auf die Respektierung der staatlichen Souveränität daran gekoppelt sein müsse, dass der betreffende Staat auch seiner Pflicht zum Schutz des ihm anvertrauten Volkes nachkomme. Diese neue Prioritätensetzung hatte nicht nur Auswirkungen auf Annans Vorstellungen über die Geschäftsgrundlagen künftiger Friedensmissionen, sondern schlug sich flächendeckend in seinen Bemühungen auf den Gebieten Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte nieder. «Echte und dauerhafte Verbesserungen für das Leben der einzelnen Männer und Frauen zu bringen, ist das Maß aller Dinge, die wir in den Vereinten Nationen tun», stellte er dazu in seiner Nobelpreisrede am 10. Dezember 2001 in Oslo fest.
Diese Relativierung der Bedeutung der Staaten als ausschließliche Bezugspunkte und Adressaten der Vereinten Nationen fand in den Initiativen Annans zu einer stärkeren Einbindung nichtstaatlicher Akteure in die Arbeit der UNO ihre logische Fortsetzung. Für Annan waren Verbesserungen der menschlichen Existenzbedingungen abhängig
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