Die Uno
deklariert, ließe sich jedes gewünschte, aber rechtlich umstrittene staatliche Vorgehen etwa gegen Widerstandskämpfer, Separatisten oder Asylsuchende bequem legitimieren und damit zugleich der Legitimitätsanspruch dieser Gruppen bestreiten. So diente die Terrorismusbekämpfung nach dem 11. September 2001 zahlreichen Regierungen als Begründung, um bürgerliche Grundfreiheiten einzuschränken. Die extra-legale und extra-territoriale Inhaftierung «feindlicher Kombattanten» durch die USA in Guantanamo Bay ist dafür wiederum nur ein besonders drastisches Beispiel. Umgekehrt besteht etwa im Nahost-Konflikt bei den Gegnern Israels ein Interesse daran, den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besetzung nicht unter den Tatbestand des Terrorismus zu subsumieren. Eine weitere Komplikation ergibt sich aus der gerade für diesen Konflikt charakteristischen Verwischung der Grenzen zwischen den Formen staatlicher und privater Gewaltanwendung durch den «Staatsterrorismus» – durch Verhaltensweisen also, die alle Merkmale eines Terroraktes tragen, außer dem, dass sie von privaten Akteuren ausgeübt werden. Diese «Merkmale eines Terroraktes» wurden von Generalsekretär Annan am 12. September 2001 vor der Generalversammlung so beschrieben: «Der einzige gemeinsame Nenner unter den verschiedenen Formen des Terrorismus ist der kalkulierteEinsatz tödlicher Gewalt gegen Zivilpersonen aus politischen Gründen.»
Der 11. September führte natürlich auch innerhalb der UNO zu einer Wiederbelebung der Debatte darüber, wie sich der transnationale Terrorismus wirksam bekämpfen lässt. Als unmittelbare Reaktion auf die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon schlug der Sicherheitsrat mit seinen Resolutionen 1368 vom 12. September 2001 und 1373 vom 28. September 2001 ein neues Kapitel der internationalen Terrorismusbekämpfung auf, indem er terroristische Akte ausdrücklich als Bedrohungen der internationalen Sicherheit gemäß Kapitel VII der Charta definierte, gegenüber denen das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung in Anspruch genommen werden kann. Er verpflichtete in einem quasi-legislativen Akt alle Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich auf einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung. Kein Staat darf danach terroristische Aktivitäten gegen einen anderen Staat unterstützen, weder durch finanzielle Unterstützung noch durch das Gewähren von Unterschlupf. Als ein Nebenorgan des Sicherheitsrats wurde der Anti-Terrorismus-Ausschuss (
Counter Terrorism Committee
, CTC) eingesetzt, dem alle 15 Sicherheitsratsmitglieder angehören. Er nimmt Berichte der Staaten über die Maßnahmen an, die sie zur Kontrolle terrorismusverdächtiger Personen oder zur Unterbindung der Finanzströme oder Waffenlieferungen an terroristische Gruppen getroffen haben, und wertet sie aus. Die Resolutionen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung zur Terrorismusbekämpfung richteten sich nicht allein an die potenziellen «Hintergrundstaaten». Auch die übrigen Staaten wurden aufgefordert, ihre Grenzkontrollen zu verstärken oder in internationalen Behördennetzwerken ihre Erfahrungen untereinander auszutauschen.
Auch bei der Terrorismusbekämpfung waren die Vereinten Nationen mit ihren strukturellen Grenzen konfrontiert. Die UNO musste den grenzüberschreitenden Terrorismus wie jedes andere nichtstaatliche Problem zuerst einmal «verstaatlichen», um ihr Instrumentarium überhaupt in Anschlag bringen zukönnen. Sie konnte bei der Terrorismusbekämpfung auf die Terrornetzwerke nicht direkt zugreifen, sondern lediglich die Staaten, auf deren Territorium sich diese vermutlich aufhielten und von dem aus sie ihre Operationen planten, zu Regelungsadressaten machen.
Diesem Missverhältnis ist der Sicherheitsrat schon seit dem Ende der neunziger Jahre mit einer bemerkenswerten Aufweichung des Grundsatzes der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten begegnet. Dies wird besonders deutlich an den Resolutionen 1267 vom 15. Oktober 1999 und 1333 vom 19. Dezember 2000, in denen es um ein Luftverkehrs-, Finanz- und Waffenembargo gegen das afghanische De facto-Regime der Taliban ging. In diesen Resolutionen wurden die Taliban aufgefordert, innerhalb der von ihnen kontrollierten Gebiete mit dem Programm der Vereinten Nationen für internationale Drogenkontrolle zusammenzuarbeiten. Es wurde gefordert, Usama bin Laden weder Unterschlupf zu gewähren noch das
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