Die Uno
über den Sicherheitsrat hinweg, während sie im Fall Nordkoreas den Verhandlungsweg beschritten und sich ihrerseits Zugeständnisse abringen ließen. Diese Ungleichbehandlung unterstreicht ein weiteres Mal, wie sehr die Handlungsfähigkeit des in beiden Fällen eigentlich zuständigen Sicherheitsrats von der Handlungsbereitschaft seiner ständigen Mitglieder abhängig ist.
Der Irak-Krieg war allerdings noch in einer anderen Hinsicht aufschlussreich: Der Sicherheitsrat konnte in diesem Fall die USA zwar nicht von ihrem militärischen Alleingang bei der Suche nach den irakischen Massenvernichtungswaffen abhalten, andererseits gelang es aber auch dem vermeintlichen Hegemon USA nicht, die UNO als hegemoniales Machtinstrument für seine Interessen einzuspannen. Erfolgreich bewährt haben sich die Vereinten Nationen hingegen im Vorfeld des Irak-Krieges in ihrerRolle als Verhandlungssystem. Durch die öffentlichen Debatten im Sicherheitsrat wurde eine hohe Transparenz geschaffen, und vor den Augen der Welt mussten die USA und Großbritannien die Grenzen ihrer Überzeugungskraft zur Kenntnis nehmen. Berücksichtigt man noch die Probleme, auf die die «Koalition der Willigen» bei dem Versuch stieß, im Irak auf eigene Faust einen demokratischen Wiederaufbau zu organisieren, dann könnte daraus sogar der generelle Schluss gezogen werden, dass die weltpolitische Gesamtkonstellation inzwischen eine Komplexität erreicht hat, die es keinen noch so potent erscheinenden Führungsmächten mehr erlaubt, ihre Ziele im Alleingang durchzusetzen. Wenn sich diese Erkenntnis verbreitet, wäre der Sicherheitsrat, und wären die Vereinten Nationen insgesamt, sogar gestärkt aus ihrer vermeintlichen Niederlage im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg hervorgegangen.
Im Bereich der vertraglichen Kontrolle der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sind neben dem NVV noch das Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) zu erwähnen, das 1993 im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz vereinbart wurde und im Jahr 1997 in Kraft trat, sowie das Biowaffen-Übereinkommen (BWÜ), das am 10. April 1972 verabschiedet wurde und seit 1975 in Kraft ist. Im Unterschied zu der voluminösen Chemiewaffenkonvention umfassen die 15 Artikel des BWÜ allerdings nur wenige Seiten und sehen vor allem keine Verifikationsmaßnahmen vor. Im Mai 2001 scheiterte der Versuch, auch für bakteriologische und toxische Waffen ein dem CWÜ vergleichbares Überwachungs- und Durchsetzungssystem zu schaffen, an den USA. Diese zogen sich aus den Verhandlungen zu einem Zeitpunkt zurück, zu dem sie die Weigerung des Irak, sich dem Inspektionssystem der IAEO zu unterwerfen, zu einem Kriegsgrund machten.
Auch bei der Kontrolle des Erwerbs von Massenvernichtungswaffen weisen die zwischenstaatlichen Übereinkommen aufgrund der sich vollziehenden Privatisierung der Bedrohung eine offene Flanke auf. Der Zusammenbruch der Sowjetunion öffnete zusammen mit der Erosion staatlicher Ordnungsstrukturen und dem Auftreten des transnationalen Terrorismus diereale Gefahr eines weder staatlich noch zwischenstaatlich kontrollierbaren Erwerbs solcher Waffen durch private Akteure. Inzwischen ist es zu einer durchaus realistischen Vorstellung geworden, dass auch terroristische Organisationen in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen könnten. Dabei dürfte nicht nur von biologischen und chemischen Waffen, sondern aufgrund ihrer leichteren Zugänglichkeit und Nutzbarkeit auch von nichtstrategischen Nuklearwaffen ein besonderer Anreiz ausgehen.
Vor diesem Hintergrund müssen es die Vereinten Nationen gleichzeitig mit drei sich gegenseitig verstärkenden Tendenzen aufnehmen: zum einen mit dem wahrscheinlicher gewordenen Erwerb von Massenvernichtungswaffen durch kooperationsunwillige Staaten; zum anderen dem möglichen Erwerb solcher Waffen durch terroristische Organisationen; und zum dritten mit dem Zerfall staatlicher Ordnungsstrukturen. Letzterer versperrt den von den Vereinten Nationen bisher beschrittenen Weg, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an private Akteure mittelbar über die Verpflichtung der Regierungen derjenigen Staaten zu kontrollieren, von deren Territorium aus sie operieren. Selbst kooperationswillige Staaten sind möglicherweise gar nicht zu einer effektiven Kontrolle des Erwerbs von waffenfähigem Material durch terroristische Gruppierungen in der Lage und bedürfen der internationalen Unterstützung. Die Vereinten Nationen scheinen zwar heute gegenüber hegemonialen
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