Die Uno
der Tutsi stattgefunden, dem rund eine Million Menschen zum Opfer fielen. Das Ruanda-Tribunal wurde am 8. November 1994 eingesetzt, hat seinen Sitz in Arusha (Tansania) und ist ähnlich aufgebaut wie das Jugoslawien-Tribunal.
Mit seinen Beschlüssen zur strafrechtlichen Verfolgung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf einem bestimmten Territorium und über einen bestimmten Zeitraum hinweg nahm der Sicherheitsrat eine sehr weitgehende Auslegung der UNO-Charta vor: Er verordnete zwei vom Zerfall ihrer staatlichen Ordnungen betroffenen Staaten ein Strafverfolgungsorgan mit – weil es selbst den Gerichten der anderen Mitgliedstaaten übergeordnet ist – zweifellos
supranationalen
Qualitäten. Insofern handelt es sich bei den beiden Ad hoc-Tribunalen um ein gänzlich neues Instrument zur Durchsetzung der Herrschaft des Rechts – in diesem Fall des humanitären Völkerrechts. Aufgrund ihrer räumlich und zeitlich begrenzten Zuständigkeit sind sie aber zugleich auch ein Ausdruck der
Selektivität
der Herrschaft des Rechts: Allein die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats entscheiden darüber, wann und wodurch Ad hoc-Tribunale eine internationale Strafverfolgung eingeleitet werden kann.
Mit der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) trat die Strafverfolgung in eine neue Phase. Sie fand ihren Ausdruck in der weltweiten Anerkennung einer nicht mehr nur selektiven, sondern generellen
internationalen
Pflicht zur Strafverfolgung von Einzelpersonen, denen die Beteiligung an Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Angriffskriegen zur Last gelegt wird. Der IStGH geht nicht auf einen Sicherheitsratsbeschluss zurück, sondern auf ein zwischenstaatliches Vertragswerk. Sein Statut wurde am 17. Juli 1998 in Rom von 120 Staaten auf einer «Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz» verabschiedet, deren Zusammentreten die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1997 beschlossen hatte. Der IStGH konstituierte sich mit dem Inkrafttreten des Römischen Statuts am 1. Juli 2002 als eine ständige Rechtsinstanz mit Sitz in Den Haag. Ihm gehören 18 von den Vertragsstaaten gewählte Richter und Richterinnen an. Im Jahr 2009 hatten 139 Staaten das Statut des Strafgerichtshofs unterzeichnet, 110 hatten es auch bereits ratifiziert. Vom Ziel der Universalität ist er damit gegenwärtig allerdings noch deutlich entfernt. Wie jeder andere zwischen Staaten abgeschlossene völkerrechtliche Vertrag verpflichtet auch das Statut des IStGH lediglich die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit.
Der IStGH soll nicht an die Stelle der nationalen Strafgerichtsbarkeit treten, sondern ist als komplementär dazu zu verstehen. Da sein Statut den Vorrang der nationalen Strafverfolgung vorsieht, kann jeder Staat durch das Einleiten eines nationalen Strafverfahrens ein Tätigwerden des IStGH zumindest verzögern, wenn nicht verhindern. Der Internationale Strafgerichtshof kann erst auf den Plan treten, wenn sowohl der Staat, auf dessen Territorium eine der genannten Straftaten begangen wurde, als auch der Staat, aus dem der Täter stammt, «nicht willens oder unfähig (sind), die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen» (Artikel 17 des Römischen Statuts). Der IStGH kann sich allerdings in Fällen einschalten,in denen entweder nur der Heimatstaat des Tatverdächtigen oder nur der Staat, auf dessen Territorium die Straftat erfolgt ist, das Statut ratifiziert haben, d. h. es können auch Angehörige von Nichtvertragsstaaten angeklagt werden. Wenn, wie im Fall des Irak-Krieges, keines der beiden Kriterien zutrifft, weil weder die USA noch der Irak Vertragsparteien sind, hat der IStGH zunächst einmal keine Zuständigkeit.
Im Unterschied zu einem vorausgegangenen Entwurf der Völkerrechtskommission aus dem Jahr 1994, dem auch die USA, die neben China, Jemen, dem Irak, Israel, Katar und Libyen zu der siebenköpfigen Gruppe der Gegner des IStGH gezählt werden, noch zugestimmt hatten, weil er eine faktische Kontrolle des geplanten Gerichtshofs durch den Sicherheitsrat ermöglichte, eignet sich die Konstruktion des IStGH kaum als ein Instrument für hegemoniale Machtausübung. Es bedarf keiner generellen Erlaubnis des Sicherheitsrats, um ein Verfahren einzuleiten. Das Statut ermöglicht dies jeder Vertragspartei, vor allem aber sieht es einen unabhängigen Ankläger vor. Bis 2009 waren bereits vier Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die
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