Die Uno
die Entwicklungsländer ihm kritisch gegenüber standen.
In den achtziger Jahren wurden diese Debatten allerdings allesamt durch eine weltweite Rezession und Schuldenkrise in den Hintergrund gedrängt, die immer mehr Entwicklungsländer zu Bittstellern beim IWF als ihrem letzten Hoffnungsträger machte. Dort waren Kredite jedoch nur gegen harte Strukturanpassungsmaßnahmen und politische Stabilisierungsprogramme zu erhalten. Unter der programmatischen Federführung des IWF kehrte die Entwicklungspolitik nun wieder zu den marktwirtschaftlichen Rezepten der sechziger Jahre zurück. Die Ziele der dahinter stehenden neoliberalen Wirtschaftsphilosophie bestanden nicht mehr in der Armutsbekämpfung, sondern in der Verringerung von Inflation, Finanz- und Zahlungsbilanzdefiziten. Das Schicksal des Staatshaushalts rückte in den Vordergrund. Die Entwicklungsprobleme wurden als das Resultat einer fehlgeleiteten Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der nationalstaatlichen Ebene betrachtet und sollten durch eine «gute Regierungsführung» überwunden werden, die sich dadurch auszeichnete, dass sie die Voraussetzungen für Marktliberalisierung und Kreditvergabe schuf. Die Anpassungsprogramme, die der IWF den verschuldeten Ländern verordnete, trafen allerdings vor allem die schwächsten Bevölkerungsgruppen, die in besonderer Weise von staatlichen Leistungen abhängig waren. Im Gefolge des neoliberalen Paradigmenwechsels wuchsen die Einkommensunterschiede innerhalb vieler Staaten der Dritten Welt daher noch weiter an.
Erst mit den großen Weltkonferenzen der neunziger Jahre erfuhr die entwicklungspolitische Programmdebatte wieder einen Richtungswechsel. Die seit 1990 jährlich veröffentlichten UNDP-Berichte über die menschliche Entwicklung (
Human Development Reports
) trugen wesentlich dazu bei, dass mit der
menschlichen Entwicklung
ein neuer, auf alle Bereiche der Entfaltung des Individuums ausgreifender entwicklungspolitischer Schlüsselbegriff maßgeblich wurde. Das UNDP setzte dem herkömmlichen Bruttosozialprodukt einen Index (
Human Development Index
) mit Indikatoren für die Lebenserwartung, das Bildungsniveau und den Lebensstandard entgegen, mit denen Fortschritte im Entwicklungsprozess eines Landes anhand ihrer Implikationen für den Einzelnen im Alltagsleben gemessen wurden.Am Ende des Jahrzehnts bekannten sich auch die Weltbank und der IWF zum Ziel der Armutsbekämpfung. Auf dem «Millenniums-Gipfel» der Vereinten Nationen verständigten sich im Jahr 2000 die Staats- und Regierungschefs auf einen Katalog von «Millenniums-Entwicklungszielen», die mit messbaren und bis 2015 zu erreichenden Zielvorgaben verknüpft wurden
– die Halbierung der Zahl der Menschen, die von weniger als einem Dollar am Tag leben müssen, ebenso der Zahl derer, die unter Hunger leiden
– die Möglichkeit für alle Kinder, eine Primarschulausbildung abzuschließen
– die Beseitigung des Geschlechtergefälles auf allen Bildungsebenen
– die Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel gegenüber 1990
– die Senkung der Müttersterblichkeitsrate um drei Viertel
– die Umkehr der Ausbreitung von AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten
– der Einbau der Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in die nationalstaatliche Politik
– die Halbierung der Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben
– die Verbesserung der Lebensbedingungen von 100 Millionen Slumbewohnern bis 2020
– der Aufbau einer internationalen Entwicklungspartnerschaft, um Verschuldungsprobleme sowie den Zugang zu Märkten und zu Technologie zwischen den Regierungen zu regeln. Ausdrücklich wurde dabei auch den Regierungen der Entwicklungsländer ein Bekenntnis zu guter Regierungsführung abverlangt.
An diesem Katalog ist zum einen bemerkenswert, dass die Verantwortung für die Armutsproblematik nicht mehr zwischen der internationalen und der nationalstaatlichen Ebene hin und her geschoben, sondern auf die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen von Entwicklungs- und Industrieländern verwiesen wird. Während von den Entwicklungsländern umfassende Entwicklungsplänezur Armutsbekämpfung erwartet werden, sollen ihnen die Geberländer und die internationalen Finanzinstitutionen Schuldenerlasse und Kredite gewähren, den Umfang der öffentlichen Entwicklungshilfe verdoppeln und sich um eine faire Welthandelspolitik bemühen.
Zum anderen unterstreicht die Tatsache, dass fast alle Ziele unmittelbar der Armutsbekämpfung
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