Die Uno
dienen, erneut den Stellenwert, den das Konzept der menschlichen Entwicklung inzwischen einnimmt. Mit diesem Konzept rücken auch die politischen Rahmenbedingungen verstärkt ins Visier, die gegeben sein müssen, damit ein Mensch Zugang zu einem menschenwürdigen Lebensstandard haben kann. Im Weltentwicklungsbericht der Weltbank 2000 wurde die Gewährleistung politischer Beteiligungsrechte explizit als ein wesentliches Entwicklungsziel genannt. An diesem Punkt treffen sich das Leitbild der menschlichen Entwicklung und ein neu aufgelegtes, nun allerdings gegenüber der bereits erwähnten «schmalen» Variante des IWF wesentlich umfassenderes
good governance
-Konzept, das sich nicht an dem Ziel ausrichtet, ein möglichst günstiges Investitionsklima zu schaffen, sondern
good governance
als eine der menschlichen Sicherheit, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte verpflichtete Regierungsführung versteht.
Good governance
bemisst sich daran, inwieweit es gelingt, die Menschen am politischen Prozess zu beteiligen, die gesellschaftliche Integration zu fördern und die wirtschaftliche Entwicklung so zu steuern, dass Wachstumserfolge erzielt, notwendige Strukturreformen verwirklicht und natürliche Ressourcen verantwortlich genutzt werden können.
2. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung
Die bereits angesprochene ganzheitliche Sicht auf die Entwicklungsproblematik ist wesentlich auf die Weltkonferenzen der neunziger Jahre zurückzuführen und kommt nirgendwo umfassender zum Ausdruck als in dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Dessen Karriere geht auf einen Auftrag zurück, den die Generalversammlung der Weltkommission für Umwelt undEntwicklung im Jahr 1983 erteilte. Die Kommission sollte über die umweltverträgliche Gestaltung der wirtschaftlichen Entwicklung nachdenken. In dem von ihr vorgelegten «Brundtland-Bericht» fiel der Begriff «
sustainable development
» zum ersten Mal. Damit wurde gegen ein Wachstumsmodell Stellung bezogen, das Wohlfahrtsgewinne in der Gegenwart auf Kosten künftiger Generationen erkauft. Als nachhaltig wurde eine Entwicklung definiert, «die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.»
Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung wurde das Leitbild im Jahr 1992 konkretisiert: zum einen in der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung, vor allem aber in der Agenda 21, dem Aktionsprogramm zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, das in Rio von mehr als 170 Staaten verabschiedet wurde. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sollte allerdings nicht nur für die internationale Umweltpolitik maßgeblich sein, sondern verlangte eine Integration sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Politikziele. Die Armutsbekämpfung, die Veränderung von Konsumgewohnheiten, die Bevölkerungs-, Gesundheits- und Siedlungspolitik sollten sich von der lokalen bis zur globalen Ebene gleichermaßen daran orientieren. Konkrete Maßnahmenkataloge sollten in länderspezifischen Programmen festgelegt werden und von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren gemeinsam getragen werden. Insbesondere wurde für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele auch eine tief greifende Veränderung von Politikmustern für erforderlich gehalten. In Kapitel 23 der Agenda 21 heißt es dazu: «Eine der Grundvoraussetzungen für die Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung ist die umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung. Darüber hinaus hat sich im spezifischeren umwelt- und entwicklungspolitischen Zusammenhang die Notwendigkeit neuer Formen der Partizipation ergeben.»
Das von der UNCED ausgegangene Plädoyer für neue Politikmuster unter «echter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen»von der lokalen bis zur globalen Ebene stellte auch die tradierten Rollenverständnisse der UNO infrage. Zum einen dementierte der Rio-Prozess die Vorstellung von den Vereinten Nationen als einem hegemonialstaatlichen Machtinstrument, indem er den amerikanischen Hegemon einfach hinter sich ließ. Darüber hinaus propagierte er aber auch eine Abkehr von dem Modell des rein staatlichen bzw. zwischenstaatlichen Regierens überhaupt, für das bisher – mit der einen Ausnahme der ILO – auch die Vereinten Nationen gestanden hatten. Offenbar war den meisten Regierungen bewusst geworden, dass
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