Die Uno
einer offensiveren Argumentation zugunsten des Globalpakts. Der darin verkörperte partnerschaftliche Steuerungsansatz steht in völligem Einklang mit einer durch die
global governance
-Debatte in den Mittelpunkt gerückten politischen Steuerungsphilosophie, der zufolge es die Komplexität der Zukunftsaufgaben zwingend erfordert, alle Akteure mit ins Boot zu holen, die über problemlösungsrelevante Ressourcen verfügen, unabhängig davon, ob es sich dabei um staatliche, internationale, zivilgesellschaftliche oder privatwirtschaftliche Akteure handelt.
Ob die Hoffnungen berechtigt sind, die in die transnationalen Unternehmen gesetzt werden, kann heute niemand abschließend beurteilen. Skepsis ist zweifellos angebracht, denn schließlich sind Wirtschaftsunternehmen vor allem den Gesetzen des Marktes unterworfen und keine Wohltätigkeitsorganisationen. Allerdingskönnte ihnen bereits die Einsicht in den ökonomischen Nutzen eines umfassenden Risiko- und Reputationsmanagements einen ausreichenden Anreiz bieten, an der Schließung von Regelungslücken mitzuwirken, die im Zuge der Globalisierung entstanden sind. Schließlich sind gerade transnationale Unternehmen auf verlässliche und weltweit gültige Rahmenbedingungen angewiesen – Rahmenbedingungen, die herzustellen bisher weder die staatlichen noch die zwischenstaatlichen Regelungsbemühungen in der Lage oder willens waren. Außerdem könnte der Globalpakt eine normative Eigendynamik entfalten, deren Wirksamkeit nicht unterschätzt werden sollte.
Für das Selbstverständnis der Vereinten Nationen stellte die Initiative Annans eine Weichenstellung dar, die mit der Überschrift «Auslieferung an die wirtschaftliche Macht» nur sehr unzureichend beschrieben wäre. Sie signalisiert die Bereitschaft zur Öffnung einer ursprünglich ausschließlich zwischenstaatlichen internationalen Organisation für Akteure aus dem privaten Sektor und erfolgt in der Absicht, auch deren Problemlösungskompetenzen unmittelbar in den Dienst der Ziele der Weltorganisation zu stellen. Insoweit steht der Globalpakt stellvertretend für eine
gesellschaftliche Öffnung
und damit zugleich für eine bestimmte Form der «Entstaatlichung» des zwischenstaatlichen Regierens im Rahmen der Vereinten Nationen. Für eine andere Form steht die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Darin kommt eine Tendenz der internationalen Verrechtlichung zum Ausdruck, deren supranationale Züge sich auf die Dominanz souveräner Staatlichkeit nicht minder stark relativierend auswirken. Beiden Spielarten der «Entstaatlichung» ist gemeinsam, dass sie auf die Defizite einer rein zwischenstaatlichen Normsetzung und vor allem Normdurchsetzung reagieren.
VII. Reformperspektiven
Der Reformbedarf der Vereinten Nationen weist weit über das Ziel der Effizienzsteigerung hinaus. Es geht dabei vielmehr darum, die wachsende Kluft zu überbrücken, die sich zwischen einem ursprünglich auf Probleme innerhalb der Staatenwelt zugeschnittenen institutionellen Lösungsangebot auf der einen Seite und einem sich davon loslösenden globalen Problemhaushalt andererseits aufgetan hat. Bei der Schließung dieser Problemlösungslücke muss jedoch auch die Partizipationslücke im Auge behalten werden, die mit der Verlagerung politischer Entscheidungen in von den Bürgerinnen und Bürgern weit entfernte internationale Verhandlungsforen einhergegangen ist. Die folgende Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Reformdebatte wird sich exemplarisch auf zwei zentrale Reformprojekte konzentrieren: zum einen auf die Reform des kollektiven Sicherheitssystems der UNO am Beispiel des Selbstverteidigungsrechts und der Ausweitung von Interventionsgründen, zum anderen auf die Erweiterung des Sicherheitsrats und die Öffnung der Vereinten Nationen gegenüber privaten Akteuren. Anhand dieser beiden Themen soll auch geprüft werden, inwieweit Kriterien der Effektivität und der demokratischen Legitimität in der Reformdiskussion Berücksichtigung finden.
Nicht vergessen werden sollte dabei auch, dass eine Reform der Charta gemäß Artikel 108 nicht allein der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Generalversammlung bedarf, sondern auch von zwei Dritteln der UNO-Mitglieder einschließlich aller fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ratifiziert werden muss. Es ist daher kein Zufall, dass für so einschneidende Veränderungen wie etwa den Aufbau einer internationalen Strafgerichtsbarkeit nicht der Weg über eine
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