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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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vorzeitige Alterung, die mit der Geburt einsetzt. Mickey Hays, den Sie in diesem Film sehen, ist vierzehn Jahre alt.«
    Benjamin konnte nicht recht glauben, dass das an die Wand projizierte Gesicht das eines Jugendlichen war. Er wollte sich das Martyrium dieses Kindes und seiner Eltern nicht einmal vorstellen.
    »Die erkrankten Kinder leiden an Haarausfall und Gelenkschmerzen«, fuhr der Genetiker fort. »Ihre Haut ist – wie die von Mickey – sehr dünn und haarlos. Weitere Symptome sind kardiovaskuläre Störungen und ein extrem langsames Wachstum.«
    »Und ihre geistigen Fähigkeiten?«
    Der Mann klickte auf »Abspielen«, und Mickey Hays wurde lebendig, lächelte traurig und sagte dann: »I’m not a freak … «
    Der Arzt bemerkte keinen Sprachfehler. Mickey hatte die Stimme eines Heranwachsenden, der noch nicht im Stimmbruch war, als wären die Stimmbänder der einzige Teil seines Körpers, der nicht beschleunigt alterte.
    »Seine kognitiven Fähigkeiten sind völlig normal … « Der Genetiker hielt den Film an einer Stelle an, an der zu sehen war, wie der Junge mit seiner Großmutter spazieren ging. »Die Lebenserwartung eines Patienten, der an Progerie leidet, beträgt gegenwärtig im Schnitt zwölf bis dreizehn Jahre. Mickey gehörte zu den Patienten, die am längsten lebten – er ist mit zwanzig Jahren gestorben.«
    »Hat man herausgefunden, was die Krankheit auslöst?«
    »Ja, im Jahr 2003. Eine französische Forschergruppe hat die mutierte Variante eines Gens entdeckt, das auf Chromosom 1 liegt. Wenn die Mutation auftritt, erzeugt dieses Gen ein verstümmeltes Protein, das Progerin. Dieses Protein bleibt in der Membran des Zellkerns verankert. Dort sammelt es sich an. Und dies führt schließlich zu den Missbildungen und Funktionsstörungen.«
    Benjamin schüttelte den Kopf.
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, weist Brooke Greenberg eine ähnliche Anomalie auf. Ihre Krankheit wäre in gewisser Weise das Gegenteil der Progerie. Während die an Progerie erkrankten Kinder zu schnell altern, würde Brooke ewig jung bleiben?«
    »Das ist eine der Theorien, die diskutiert werden«, bestätigte der Forschungsdirektor. »Aber im Fall von Brooke Greenberg findet keine kognitive Entwicklung statt. Kurz gesagt, ihr Gehirn bleibt das eines neun Monate alten Mädchens. Ihr Körper ebenfalls, aber ihr Knochenalter ist das eines achtjährigen Mädchens. Im Moment weiß man nicht viel mehr. Den Genetikern gelingt es nicht, das mutierte Gen zu identifizieren.«
    »Und wenn sie es identifizieren? Was wird dann passieren?«
    »Darüber wird viel spekuliert … Wenn es gelingt, das Alterungsgen zu isolieren, könnte die Menschheit womöglich ihre Evolution selbst steuern. Aber das ist bloß eine Hypothese.«
    Benjamin verzog das Gesicht.
    »Wie in einem schlechten Science-Fiction-Roman.«
    »Ja, es hat ein bisschen was davon«, räumte sein Gesprächspartner lächelnd ein. »Aber täuschen Sie sich nicht, Doktor Dufrais. Das bedeutet nicht, dass der Mensch – wenn es ihm eines Tages gelingen sollte, dieses Gen zu isolieren – das Geheimnis der ewigen Jugend entdecken wird.«
    »Aber das glauben manche?«
    »Zahlreiche Forscher halten das grundsätzlich für möglich. Oder zumindest rechnen sie damit, den Alterungsprozess verlangsamen zu können. Sie können sich denken, dass die Pharmakonzerne das sehr aufmerksam verfolgen.«
    »Das heißt?«
    »Es gibt zwei verschiedene Einstellungen gegenüber seltenen Krankheiten. Die einen halten diese Forschungen für eine Geld- und Zeitverschwendung, da nur eine geringe Anzahl von Patienten betroffen ist. Die anderen sind der Meinung, diese Forschungen ebneten mitunter den Weg zu neuartigen Behandlungsansätzen für häufigere Krankheiten.« Der Mann befeuchtete sich die Lippen. Er hatte Benjamins Fragen bereitwillig beantwortet, aber er schien immer weniger zu verstehen, warum dieser eigentlich an seine Bürotür geklopft hatte.
    »Rein finanziell gesehen, sind einige dieser Forschungsprojekte durchaus interessant«, gab er zu. »Weil diese Krankheiten so selten sind, gibt es keine nennenswerte Konkurrenz zwischen den Pharmakonzernen. Daher erlangt der Hersteller eines neuen Medikaments sehr schnell eine Monopolstellung auf einem Markt, der zwar nur ein begrenztes, aber dafür langfristig gesichertes Umsatzvolumen hat. Hinzu kommt oftmals eine öffentliche Finanzierung. Letztlich ist es zwar nicht so lukrativ wie ein Grippeimpfstoff, aber für einige Pharmafirmen dennoch sehr

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