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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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für einen Moment ihr Spiegelbild. Nachdem die weißen Neonröhren nacheinander erloschen waren, war es in dem Raum stockfinster. Sie zuckte zusammen, weil sie auf dem Gang Stimmen hörte. Als sie erkannte, dass es die von Umaru und Billy Bob waren, wich sie zurück und verfluchte sich dafür, dass sie die Kabine verlassen hatte.
    Sie wartete eine gute Minute, vielleicht länger, und zweifelte an ihrem Verstand, als sich die Stimmen entfernten. Sie erkannte deutlich das akustische Signal des Aufzugs, das in dem Moment ertönte, als sich die Stahltüren öffneten. Nachdem sich Megan wieder in die Toilettenkabine eingeschlossen hatte, beschlich sie das Gefühl, dort nie mehr herauszukommen, und es schien ihr, als wäre ihr Schicksalsfaden hier abgeschnitten worden. Sie setzte sich auf das Klosettbecken aus Keramik, zog die Knie an die Brust und brach in Tränen aus.

149
    In dem Moment, in dem die Scheiben im Erdgeschoss zersplitterten, wusste Benjamin, dass auf ihn geschossen wurde. Ein heißer Luftzug strich über sein Gesicht. Dutzende unsichtbare Glasplättchen glitten über seine Haut.
    Er hechtete nach vorn und landete der Länge nach auf einem Teppich aus Glasscherben. Schüsse antworteten einander, ein chaotisches Crescendo von Detonationen. Die Polizisten feuerten ins Innere, während diejenigen, die ihm gegenüber in Deckung gegangen waren, Kugeln auf den Parkplatz regnen ließen – aber keines der beiden Lager wusste, worauf es zielte.
    Die Stühle im Wartezimmer wurden von Salven pulverisiert. Die Lampen an der Decke versprühten Funkengarben, ehe sie erloschen. Ein bläulicher Dunst breitete sich langsam in dem Raum aus, in dem Blitze aufzuckten und Kugeln pfiffen.
    Nach allem, was Benjamin hörte, ahnte er, dass die Schützen, durch die Tränengasgranaten in Panik versetzt, ihre Magazine leer schossen. Er hörte sie irgendwo zu seiner Linken, in der Nähe der Patientenaufnahme, husten und spucken. Er nahm das Gewehr, das er einem der toten Polizisten weggenommen hatte, und war erstaunt, wie schwer die Waffe in seiner Hand lag.
    Völlig außer Fassung kroch er auf allen vieren, wobei er sich die Handteller und die Knie aufschürfte. Das Gas brannte in seiner Kehle und in den Lungen. Als er husten musste, drückte er die Hand an seinen Mund, um den Anfall zu ersticken. Benjamin legte sich flach auf den Boden und stellte sich tot. Er war so benommen, dass er nur ein anhaltendes irritierendes Rauschen hörte, der Rest seiner Wahrnehmungen schwankte zwischen künstlerischer Unschärfe und völliger Blindheit. Die Angst und das Adrenalin ließen ihn erschauern und sogar vergessen, warum er überhaupt hier war.
    Da ihn der in der Luft schwebende Gipsstaub und der bläuliche Giftnebel vorübergehend unsichtbar machten, kroch er geradeaus, hielt unvermittelt inne, als ihn ein heftiger Schmerz unter den Rippen durchzuckte, und robbte weiter, bis er schließlich die durch den Schusswechsel verwüstete Wartezone hinter sich gebracht hatte. Er öffnete die Tür zur Damentoilette und schloss sie hinter sich. Außer Atem ließ er sich auf den Fliesenboden fallen. Er führte die Hand an seine rechte Seite, und Blut lief über seine Finger. Er schloss die Augen und tastete seinen Rücken ab. Keine Austrittsöffnung. Die Kugel war also noch in seinem Bauch.
    Benjamin sah auf seine Uhr.

150
    Im ersten Stock angekommen, verließen Umaru und Billy Bob den Aufzug und schubsten Pater David vor sich her. Durch eine Scheibe, die als Zwischenwand diente, sahen sie Krankenschwestern und Ärzte, die sich in einem Raum versammelt hatten. Der Rest des Stockwerks schien menschenleer zu sein. Das einzige Licht in dem Gang war das Leuchtschild der Intensivstation. Umaru hörte die regelmäßigen Pieptöne der Elektrokardiogramme. Er hörte die Explosionsgeräusche aus dem Erdgeschoss und verfluchte seine Männer dafür, dass sie das Feuer eröffnet hatten. Dann nickte er. Billy Bob gehorchte. Frauen brachen in Schluchzen aus, als er die Tür mit dem Schild »Zutritt nur für Personal« eintrat.
    »Auf die Knie! Hände über den Kopf!«
    Er drückte auf den Abzug, und eine Kaffeekanne explodierte. Der Knall löste Schreie aus. Er lud nach und richtete seine Pumpgun auf einen der Ärzte.
    »Wo ist der OP -Trakt?«
    Der Arzt stammelte eine unverständliche Antwort und streckte den Arm nach links aus.
    »Steh auf! Du kommst mit uns!«
    Billy Bob packte ihn am Kragen seines Kittels und zwang ihn aufzustehen. Er drückte die Mündung des

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