Die Unseligen: Thriller (German Edition)
du«, antwortete der MSF- Missionschef.
Megan benetzte die Stirn der jungen Frau, während sie das CTG anschloss. Sie befestigte den Sensor am Bauch. Der Herzrhythmus des Fötus wies keine erkennbare Anomalie auf.
»Da ist zu viel Blut, verdammt!«, sagte der Arzt, während er mit dem Finger die Vaginalfalten abtastete. »Haoua?«
»Gott, erbarme dich, erbarme dich, erbarme dich … «, wiederholte die junge Frau.
»Haoua, Sie müssen sich beruhigen … «
»O mein Gott, ich bitte Sie, ich will nicht sterben, ich bitte Sie … «
»Mist! Mist! Ohne Chirurg weiß ich nicht, ob … «
In diesem Moment schrillte der Überwachungsmonitor. Megan ließ sich, trotz der Katastrophe, die sie vorausahnte, nicht aus der Ruhe bringen und verkündete schlicht: »Herzrhythmusstörungen des Fötus. Es besteht Lebensgefahr.«
»Sie stirbt, wenn wir sie nicht aufmachen!«
Der MSF- Missionschef betrachtete die Patientin: Sie zitterte, ihre Lippen waren trocken, und sie verdrehte die Augen. »Hast du schon mal einen Kaiserschnitt gemacht?«, fragte er seinen Kollegen.
»Nein. Und du?«
Der Einsatzleiter antwortete nicht. Er war Allgemeinmediziner. Er konnte Wunden nähen, einen Abszess aufschneiden, aber keinen Schnitt durch die Bauchwand und die Gebärmutter einer zwanzigjährigen Frau durchführen. Der unregelmäßige Piepton erschien ihm wie ein Countdown des Todes und hinderte ihn daran, klar zu denken, er fühlte sich gefangen zwischen den Alternativen einer Entscheidung, die tödliche Konsequenzen haben konnte. Er spürte die ganze Verantwortung, die auf seinen Schultern lastete, und diese bleierne Last lähmte ihn.
»Megan, rufen Sie Paris an, und holen Sie die Erlaubnis zur Operation ein.«
Megan griff zum Satellitentelefon. Dreimaliges Anläuten. Die erschöpfte Stimme eines Koordinators am anderen Ende. Sie schilderte kurz die Lage und bestand auf einer unverzüglichen Entscheidung. Nach fünf Minuten hätte sie beinahe die Geduld verloren, aber professionell, wie sie war, nahm sie die Anweisungen widerspruchslos zur Kenntnis.
»Ohne qualifizierten Chirurgen lehnt er eine Operation ab.«
»Verdammt, ist der bescheuert, oder was? Gib ihn mir!«
Wütend streifte sich der junge Doktor die Handschuhe ab und griff nach dem Telefon.
»Ich glaube, Sie haben den Ernst der Lage nicht kapiert! Sie wird abkratzen, wenn wir nichts tun!«
Die Stimme des Koordinators rauschte im Lautsprecher des Telefons.
»Sie sind keine Chirurgen! Sie könnten sie umbringen.«
»Aber sie stirbt schon!«, schrie der Mediziner.
»Schaffen Sie sie im Krankenwagen ins nächstgelegene öffentliche Krankenhaus.«
»Sie verliert zu viel Blut! Wenn wir jetzt keinen Kaiserschnitt machen, stirbt sie und das Kind mit ihr!«
»Ich kann Ihnen nicht helfen, ich verstehe nichts davon! Ich werde versuchen, Sie mit einem Chirurgen zu verbinden, der Sie bei der Operation anleiten kann.«
»Scher dich zum Teufel!«, schnaubte er, als er auflegte. »Megan?«
»Ja.«
»Ich will Skalpelle und Klemmen, und richte mir ein steriles Areal her.«
Der Einsatzleiter wollte Einspruch erheben, aber er blieb stumm, ihm fehlte die innere Überzeugung. Seltsamerweise erleichterte ihn die Heftigkeit seines Kollegen, und der Adrenalinstoß gab ihm die nötige Energie, um den Kampf aufzunehmen.
Der melodische Ausdruck der Besorgnis, die in der Pariser Zentrale herrschen musste, das wiederholte Klingeln des Telefons, vermischte sich mit dem elektrischen Tamburin des Monitors, den Gebeten und den Schmerzensschreien der Gebärenden zu einer Geräuschkulisse.
»Wehen alle drei Minuten … «
Der Arzt führte seinen mit Gel beschmierten Handschuh ohne Zögern in die Vagina ein.
»Bereiten Sie die Kompressen vor.«
Megan hielt ihm eine Schachtel mit sterilen Kompressen hin, damit er die Blutung stillen konnte. Er führte eine Pinzette in die Vulva ein und klemmte den Gebärmutterhals ab.
»Sie bewegt sich zu sehr. Megan, verabreich ihr Ketamin.«
»Was? Ich … ich bin nicht in Anästhesie ausgebildet … «
»Stell keine Fragen!«
Sie gehorchte und bereitete die Spritze vor, aber vor Angst verkrampften sich ihre Finger.
»Los, wir fangen an.«
Megan überprüfte den Sitz des Katheters. Nachdem der MSF- Missionschef die Schamgegend rasiert und ein jodhaltiges Desinfektionsmittel auf den Unterleib aufgetragen hatte, grenzte er das Operationsfeld mit zusammengefalteten blauen Tüchern ein.
»Skalpell.«
Megan, die neben ihrem Chef stand, reichte ihm ein
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