Die unsicherste aller Tageszeiten
und niedlich und intelligent finden, sondern weil sie gehört und manche von ihnen vielleicht sogar schon mit eigenen Augen gesehen haben, dass du vermutlich der größte Künstler deiner Generation sein wirst, der neue Picasso, Dali oder Richter.«
Mir schwoll vor Stolz die Brust bei diesen Namen; er schüttelte resignierend den Kopf.
»Das ist das, was dich für sie interessant macht, die Aussicht, von Beginn an dabei zu sein, wenn jemand Neues, Hoffnungsvolles die Szenerie betritt, wenn sie sich eventuell sogar als dessen Förderer hervortun können. Sie werden – einige von ihnen ganz bestimmt – um deine Gunst konkurrieren, um ihren Namen auf ewig mit deinem zu verbinden.«
»Aber daran ist doch nichts auszusetzen«, meinte ich.
»Das ist der blanke Egoismus, dem du hier begegnen wirst«, fuhr er mir in die Parade, »denn als Mensch empfinden diese gut situierten und wohlgesetzten Herrschaften einen angesoffenen, unreifen Hampelmann wie dich eigentlich nur unerträglich. Und jetzt komm, wir sind eh schon wieder viel zu spät.«
Plötzlich war ich wieder nur so klein mit Hut.
Zum einen sauer, weil mein lieber Herr Galerist mal wieder so erbarmungslos ehrlich zu mir gesprochen hatte, zum anderen gewarnt von seinen Worten, folgte ich ihm und trank zur Beruhigung erst einmal in Windeseile drei Gläser Champagner. Den kannte ich bisher nur vom Hörensagen, aus Film und Literatur, wusste aber nicht, wie er wirklich schmeckt. Er prickelte herrlich und beruhigte mich etwas, gab mir Selbstvertrauen, weil ich damit wieder eine Erfahrung mehr gesammelt, eine weitere Wissenslücke geschlossen hatte. Und als ich sah, dass es auch noch Erdbeeren dazu gab, machte ich es natürlich sofort wie Julia Roberts in
Pretty Woman
und leerte im Alleingang das ein oder andere Schälchen. Ich schmeckte von beidem nicht wirklich viel, aber darum ging es mir ja auch gar nicht. Hauptsache, ich hatte erst mal was zu tun, während ich mich akklimatisierte und mein Gleichgewicht wiederfand. Ich hielt mich dabei die ganze Zeit über an der nur für diesen Abend im stattlichen Esszimmer vom Cateringservice aufgebauten Bar fest und beobachtete das Publikum in seiner legeren, aber unverkennbar teuren Garderobe, das sich überall um mich herum mit der Ungezwungenheit der finanziell Sorglosen unterhielt. Hin und wieder kam sogar jemand auf mich zu, entweder nach einem Hinweis meines Galeristen oder aus sich selbst heraus, und wagte ein kleines Pläuschchen. Einmal war es ein Mann so ungefähr Ende dreißig, nicht sehr groß, aber mit Schultern breit wie ein Schrank, der augenscheinlich kein Interesse hatte, mit mir über Wirtschaft, Bürgerschaft oder gar Kunst zu reden. Vielmehr glitt sein Blick begehrlich über meinen ganzen Körper und blieb mehr an meinem Schritt als an meinen Augen hängen. Das war vertrautes Gelände, damit konnte ich umgehen. Ich fing endgültig an, meine Scheu vor diesem Ort und diesen Leuten zu verlieren, wieder ich selbst zu sein und schenkte ihm ein Willkommenslächeln.
»Na, du Hübscher«, ging er gleich aufs Ziel los, »amüsierst du dich auch gut hier bei uns?«
»Klar.«
»Dann langweilst du dich unter all den alten Leuten also nicht?«
Er grinste mich breit an, ich grinste noch breiter zurück.
»Och, es sind ja nicht alle so alt. Die eine oder andere Sahneschnitte ist durchaus dabei.«
Kurz bevor er mir endgültig seine Avancen machen konnte, wurde er leider von einer Frau gerufen, so alt, dass ich hoffte, er hätte sie, wenn es nicht seine Mutter wäre, nur des Geldes wegen geheiratet. Sie wechselten ein paar knappe Worte, die ich gar nicht erst verstehen wollte, dann drehte er sich wieder zu mir um, zuckte entschuldigend mit den Achseln und meinte: »Sorry, Verpflichtungen. Aber vielleicht sieht man sich ja später noch einmal.« Er zwinkerte mir zum Abschied zu. »Ich kenn hier auch die etwas ruhigeren Ecken.«
»Du bist nicht zufällig der Gastgeber hier?«, rief ich ihm hinterher, obwohl ich wusste, dass er es nicht wahr.
»Nein, ich hab hier nur schon mal übernachtet.« Und lachend ging er davon.
Wiedersehen sollte ich ihn an diesem Abend trotzdem nicht mehr, ein anderer hatte dann schon all meine Aufmerksamkeit an sich gebunden. Zwei Nächte später jedoch, als das Begehren noch unbefriedigt in mir schwelte, so heftig schwelte, dass ich mich von der Rauchentwicklung geradezu erstickt fühlte, traf ich ihn in der Sauna und wir kopulierten auf das Angenehmste miteinander. Danach wollte ich
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