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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pregel
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hätte.
    Nur sprechen konnte ich leider nicht, höchstens noch irgendein unverständliches Kauderwelsch stammeln. Nicht einmal für meinen Namen reichte es mehr.
    »Wie bitte?«, fragte er nach.
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern, stumm wie ein Fisch und rot wie ein Pavianarsch.
    Mein Galerist sprang ein, er sah wohl schon ob meiner Blödheit seine Felle davonschwimmen. Ich hörte ihn meinen Namen nennen und gleich auch noch das Itinerar meiner bisherigen Künstlerkarriere, das mir aus seinem Mund eigentümlich lang vorkam. Ich sah, wie Klaus nickte und mit jedem Wort, das er hörte, mir tiefer in die Augen, gleichsam in meine Seele, blickte. Als er dann meinen Namen wiederholte, zum ersten von vielen Malen meinen Namen in meiner Gegenwart aussprach, fühlte ich, wie alles in mir weich wurde und nicht mehr viel gefehlt hätte, um ohnmächtig in seine Arme zu sinken.
    »Es freut mich, Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen«, sagte Klaus und ließ meine Hand zum Glück gar nicht mehr los. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
    »Und er freut sich, Sie kennenzulernen«, sekundierte mein Galerist, weil ich immer noch nicht sprechen konnte. Er hielt mich offensichtlich einmal mehr für einen geistig ziemlich minderbemittelten Kretin, mit dem er sich nur abgab, weil er gutes Geld einbrachte. Dass ich mich wirklich gerade in einem Zustand der schönsten, weil seligsten, geistigen Umnachtung befand oder warum, das konnte er, dessen Herz ein Tresor war, das nur dann schlug, wenn dieser gut gefüllt wurde, weder sehen noch verstehen.
    Mein Herr Galerist sah nur mit Freuden, wie gut Klaus und ich uns verstanden, nachdem ich endlich den ersten Liebesschock – denn nichts Geringeres war es meinerseits gewesen – überwunden hatte und wieder ansprechbar und selbst des Sprechens fähig war. Mein Galerist ließ es gütig zu, dass es für den Rest des Abends nur noch Klaus und mich gab, die wir beide zuerst in der Küche verblieben und uns unterhielten und später, als die meisten anderen Gäste schon gegangen waren, auf einem Sofa unter einem großformatigen Bild nackter badender Jünglinge saßen und noch immer nichts anderes taten als miteinander zu reden. Worüber weiß ich nicht mehr, nur belanglos war es nicht, denn nichts an diesem Abend, kein einziger auch noch so vergänglicher Augenblick an diesem Abend war belanglos, im Gegenteil, alles war wichtig, denn alles war schön. Ich war vollkommen glücklich darüber, einfach nur in seiner Nähe sein und seiner Stimme lauschen zu dürfen, und auch ein wenig verwirrt, weil sonst nichts weiter zwischen uns passierte, nichts Offensichtlicheres, Körperlicheres. So kannte ich das bisher nicht, dass wir zwei Männer es zulassen konnten, dass sich zwischen uns eine erotische Spannung aufbaute, ohne gleich einen handfesten Versuch einzuleiten, diese wieder abzubauen. Ich wollte, dass wir uns endlich berührten, er mich und ich ihn, und zugleich wollte ich es so lange wie möglich hinauszögern, diesen seltsam einzigartigen Augenblick bis zur Neige auskosten. Ich wollte es unbedingt.
    Der Einzige, der es wagte, unsere traute Zweisamkeit zu durchbrechen, war mein Galerist. Als hätte er uns permanent aus der Ferne überwacht, um den Erfolg seiner Aktion mitzuerleben und notfalls korrigierend einzugreifen, sollte dieser durch irgendetwas gefährdet werden, stand er plötzlich vor uns, müde und abgekämpft aussehend. Trotzdem entging er meiner Aufmerksamkeit zuerst völlig; ich weiß nicht, wie oft er mich gerufen hatte, bis ich endlich auf seine Stimme reagierte und nur ganz widerwillig meinen Blick von Klaus nahm und auf ihn heftete, vermutlich voller Ekel für diesen Typen, von dem ich gar nicht mehr glauben mochte, dass ich ihn mal attraktiv gefunden hatte.
    »Ich gehe jetzt«, erklärte er. »Soll ich dich mitnehmen und nach Hause fahren? Du solltest auch langsam ins Bett gehen, du musst schließlich noch ein paar Bilder für mich malen.«
    Wenn das ein Witz sein sollte, dann war er ihm gründlich misslungen. Ich merkte schon, wie es mich kalt durchfuhr, wie sich all meine Nerven und Muskeln anspannten, ich bereit war, ihn anzuspringen und ihm meine Meinung über ihn einzubläuen. Doch Klaus hielt mich zurück. Plötzlich spürte ich, wie sich seine Hand sachte auf meinen Unterarm legte – die Haut an der Stelle schien sofort lichterloh zu brennen –, eine simple Geste nur, aber ihre Wirkung auf mich war unmittelbar beruhigend. Denn ich wusste sofort, hier war

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