Die unsicherste aller Tageszeiten
Globus hören konnte, und riss die Tür auf.
Da stand nicht der Postbote mit einer Nachricht von Klaus, Klaus selbst stand da.
»Das freut mich«, sagte er und grinste mich schelmisch an. »Schön, dass du da bist.«
Ich hatte mich zum Idioten gemacht, mein Kopf lief feuerrot an. Anstatt jedoch vor Scham im Boden versinken zu wollen, war ich einfach nur vor Freude, ihn zu sehen, wie gelähmt. Gelähmt und stumm.
Hinter seinem Rücken zauberte er einen großkalibrigen Strauß Strelitzien hervor, deren Blüten so wunderschön wie Kranichköpfe aussehen. »Ich hoffe, du magst Blumen«, sagte er und hielt mir den Strauß hin.
Ich nahm die Blumen entgegen, noch immer sprachlos, hielt sie versonnen im Arm wie ein Baby.
»Darf ich reinkommen?«
Ich trat einfach nur zur Seite und ließ ihn vorbeigehen.
»Danke«, sagte er und trat ein.
Als er an mir vorbeikam, roch ich den dezenten herben Duft seines Parfüms. Auf der Party hatte er einen anderen süßlicheren Duft verströmt, der mir durchaus schon gefallen hatte. Dieser hier aber gefiel mir noch besser, weil er nur wie ein leiser Windhauch daherkam und seine elegante Note das Erscheinungsbild dieses Mannes auch auf der olfaktorischen Ebene vervollständigte, perfektionierte. Ich sah Klaus nicht nur gerne an, ich roch ihn auch gern.
Langsam, wie in Zeitlupe oder als wäre die Luft plötzlich ein zäher, widerständiger Brei, schloss ich hinter ihm die Tür, während er zwei, drei Schritte in den kleinen, quadratischen Flur meiner Studenten-Künstlerbude trat. Dort blieb er stehen und drehte sich ganz schnell nach mir um, und der Schelm hatte seinen Auftritt gehabt und war gegangen und hatte dem ebenfalls Verliebten Platz gemacht, der nun an seine Stelle getreten war und mich überwältigend schmachtend ansah. Diese ganze Verwandlung geschah innerhalb von Sekundenbruchteilen, als wäre die Zeit, die sich an der Tür verlangsamt zu haben schien, um ihn herum ins Rasen geraten, ins Überschlagen. Und vielleicht war es das, dieser Eindruck, zusammen mit dem klickenden Geräusch der endlich ins Schloss fallenden Tür, der meine Zunge löste, mich aus dieser Freudenstarre erlöste und flüstern ließ:
»Ich bin so froh, dass du da bist.«
»Ich hab’s im Büro einfach nicht mehr ausgehalten. Ständig irgendwelche Anrufe, aber keiner von dir.«
»Ich wollte anrufen, aber ich …«
»Das weiß ich doch. Aber ich hab’s jetzt schon nicht mehr ausgehalten.«
Ich versank in seinen Augen, wie tiefe Brunnen waren sie, randvoll mit Begehren und Zuneigung und Liebe für mich. Er breitete die Arme aus.
»Komm her!«
Als hätte ich Hermesflügel an den Hausschuhen, segelte ich in seine Arme und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Die Strelitzien segelten zu Boden, die Morgengabe hatte ihren Zweck erfüllt.
Der Kuss, der nun folgte, war jedoch nur kurz. Kaum hatte ich meine Lippen auf seinen platziert und zeigte ich mich bereit, seine Zunge in meinem Mund zu empfangen, da brach er den Kuss auch schon wieder ab und arrangierte unsere Köpfe so, dass sie an Hals und Schulter des jeweils anderen zu liegen kamen. Er umarmte mich, so fest glücklicherweise, dass ich in der heißen Intensität dieser Berührung völlig dahinschmolz und mir keine zweifelnden Gedanken mehr über irgendetwas machte. Was auch immer hier geschah, es war schön genug, dass es überhaupt geschah. Mein Körper war ein einziges Kribbeln, mein Gehirn ein einziger mahlstromartiger Dusel, meine Blut- und meine Nervenbahnen ein Gespinst aus Starkstromleitungen, durch die die Impulse jagten wie Küsse Gottes. Und endlich, endlich fanden die Schmetterlinge in mir ihren Weg nach draußen, wo sie sich mit denen von Klaus vereinten und uns beide in einem samtenen Schwarm umflatterten, der so dicht war, dass er einen Kokon ganz eigener Art um uns zu bilden schien, eine dichte Schutzhülle, durch die der Rest der Welt nicht zu dringen vermochte und in der die Zeit stillzustehen schien. Tage schienen vergangen, als wir uns endlich voneinander lösten, uns verliebt – das heißt wie blöd, aber unglaublich selig – tief in die Augen schauten und so glücklich waren, so erregt und meine Hände sich längst in seinen Hintern gekrallt hatten, was diesem durchaus zu gefallen schien, und Klaus mich irgendwann fragte:
»Darf ich dich zum Essen einladen? Oder zu einem langen Spaziergang an der Alster?«
Ich stutzte nur kurz, dann grinste ich erwartungsfroh und antwortete: »Wie wäre es mit beidem?«
»Sehr
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