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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pregel
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einer nicht nur bereit, für mich einzustehen, sondern ich mochte ihm dieses Recht auch zugestehen, ja, ich wollte sogar, dass ich auf diese Weise zu seinem Besitz wurde, nur noch ihm allein gehörte, ausschließlich und für immer.
    »Nicht nötig«, antwortete Klaus für mich, »ich mache das schon.«
    »Na gut, dann …«
    »Wir werden auch nicht mehr so lange bleiben, es ist ja wirklich schon spät.«
    Erst starrte ich Klaus mit offenem Mund an, dann wandte ich mich meinem Galeristen zu mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem Funkeln in den Augen, das nur deshalb nicht gehässig war, weil die Freude, dass Klaus nicht »ich« gesagt hatte, sondern »wir«, alles andere überwog. Als gehörte ich bereits ihm.
    »Okay, dann soll es eben so sein«, seufzte mein Galerist und zog sich seine Jacke an, die er sich sorgfältig, damit sie nicht zerknitterte, über den Arm gelegt hatte. »Ich komm die Tage mal bei dir lang und schau mir die Fortschritte bei deinen neuen Gemälden an.«
    Ich nickte nur vage in seine Richtung, und mein Galerist ging, jetzt wohl endgültig voll im Bilde über das, wessen er hier gerade Zeuge geworden war. Wie sehr er die sich anbahnende Beziehung zwischen Klaus und mir missbilligte, kann ich nicht sagen, ich denke aber nicht, dass er sie jemals zu sabotieren suchte. Er förderte sie allerdings auch nicht und begegnete mir erst wieder glücklich und zufrieden, nachdem alles den Bach runtergegangen war und es galt, die bittere Ernte, meine bluttriefenden, verzweifelt wütenden Bilder, einzufahren und zu verhökern.
    Zurück blieben Klaus und ich, er noch immer mit seiner Hand auf meinem Unterarm. Ich strahlte ihn an und wagte es nach einer kleinen köstlichen Weile sogar, meine Hand auf seine zu legen und ein wenig zu drücken.
    »Danke», sagte ich.
    »Sehr gern. Als Galerist ist er zwar ein äußerst fähiger Mann mit dem vielleicht besten Riecher für neue Künstler, den ich überhaupt nur kenne, aber als Mensch ist er leider eine echte Katastrophe.«
    »Ihn interessiert nur Geld.«
    »Ihn interessiert Erfolg. Das ist sein Aphrodisiakum.«
    »Aber diesmal hat er keinen.«
    »Oh, doch. Leute wie er verlieren niemals, denn sie planen immer auf eine so lange Sicht, dass sich allein dadurch schon jede Niederlage wieder relativieren lässt.«
    Ich verstand kein Wort und hörte auch schon gar nicht mehr richtig zu; alles, was ich jetzt noch wollte, war, mich an ihn anzuschmiegen und in seinen Armen einzuschlafen. Ich hätte auch liebend gern noch mehr gemacht, um diesem Mann, der mich gerade aus den gierigen Fängen meines Galeristen-Sklavenhalters befreit hatte, meinen Dank zu beweisen, ich wusste aber gleichzeitig auch, dass das gar nicht nötig war. Das musste jetzt nicht sein, die Gelegenheit würde sich später noch bieten und dann konnte ich beweisen, wozu ich alles fähig war. Für jetzt reichte mein simples Dankeschön aus. Das Gefühl, das diese Erkenntnis auslöste, war das einer tiefen, mir bisher unbekannten Ruhe, wie warmer Schnee legte sie sich sanft auf alle meine Sinne und besonders auf die Augenlider, und schon sackte ich zur Seite und wäre beinahe an seiner weichen Flanke eingeschlafen. Es war so wunderbar.
    »Komm«, flüsterte er mir sanft ins Ohr, »ich bring dich nach Hause.« Und das tat er dann auch.
    Zum Abschied gab er mir schlicht die Hand. Ich hätte ihn geküsst oder zumindest umarmt, aber ich erwiderte seine Geste automatisch und unterdrückte dann auch gleich noch den Impuls, ihn zu fragen, ob er nicht noch mit auf einen Kaffee nach oben kommen wolle. Das wäre das falsche Ende für diesen Abend gewesen. Wären wir in dieser Nacht schon zusammen in der Kiste gelandet, dann hätten wir nicht nur das Pferd von hinten aufgezäumt – im wahrsten Sinne des Wortes –, sondern uns auch einer sehr schönen Erfahrung beraubt, nämlich die der sich nun entfaltenden Phase des Werbens und Balzens, wobei ich der Umworbene und Klaus der Balzende war, was mir besonders gut gefiel. Denn bevor ich aus seiner dicken Nobelkarosse ausstieg, reichte er mir noch eine Visitenkarte, und zwar eine von den privaten und nicht von den geschäftlichen, wie ich später erfuhr, auf denen neben seiner Geschäftsadresse und der Telefonnummer seines Büros auch seine Hausanschrift und die Nummer seines persönlichen Festnetzanschlusses standen.
    »Ruf an«, bat er. »Ich würde mich sehr freuen.«
    »Mach ich«, antwortete ich und gelangte irgendwie in meine Wohnung, scheinbar ganz ohne

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