Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
zurücklassen.«
»Natürlich nicht«, sagte Andras. »Aber Elisabet hat ihre eigenen Pläne.«
»Eben, genau das befürchte ich. Sie ist noch ein Kind, Andras. Sie trägt diesen Verlobungsring, ohne so recht zu verstehen, was er bedeutet.«
»Ihr Verlobter scheint ein guter Kerl zu sein. Ich weiß, dass er die besten Absichten hat.«
»Wenn das der Fall wäre, hätte er vielleicht mit seinen Eltern gesprochen, bevor er ihr die Flausen in den Kopf setzt, zu heiraten und nach Amerika zu gehen! Er hat seinen Eltern immer noch nicht gesagt, dass er verlobt ist. Offenbar haben sie schon ein Mädchen für ihn ausgesucht, eine reiche Brauereierbin aus Wisconsin. Er behauptet, dass er keinerlei Zuneigung für sie empfindet, aber ich bin mir nicht sicher, ob seine Eltern das auch so sehen. Zumindest hätte er auf die Idee kommen können, mich um Erlaubnis zu fragen, bevor er Elisabet diesen Ring schenkte.«
Andras lächelte. »Macht man das so? Bitten junge Männer immer noch um Erlaubnis?«
Klara kapitulierte mit einem Lächeln. »Brave junge Männer schon«, sagte sie.
Und dann zog er sie an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich würde gerne jemanden um Erlaubnis bitten, Klara«, sagte er. »Ich würde deiner Mutter gerne einen Brief schreiben.«
»Und was, wenn sie Nein sagt?«, flüsterte Klara zurück.
»Dann müssten wir durchbrennen.«
»Aber wohin, mein Schatz?«
»Ist mir egal«, erwiderte er und schaute tief in die graue Landschaft ihrer Augen. »Ich möchte bei dir sein. Mehr nicht. Ich weiß, es ist schwer durchführbar.«
»Es ist völlig undurchführbar«, gab sie zurück. Doch sie schlang die Arme um seinen Hals und hob ihr Gesicht zu ihm, und er küsste ihre geschlossenen Lider, schmeckte eine Spur von Salz. In dem Moment hörten sie Elisabets Schritt im Flur; in ihrem grünen Wollhut und Mantel stand sie in der Tür des Esszimmers. Andras und Klara lösten sich voneinander und standen auf.
»Pardon, ihr ekelhaften Erwachsenen«, sagte Elisabet. »Ich gehe ins Kino.«
»Hör mal, Elisabet«, sagte Andras. »Was wäre, wenn ich deine Mutter heiraten würde?«
»Bitte«, sagte Klara und hob mahnend die Hand. »So sollten wir nicht darüber reden.«
Elisabet sah Andras mit seitlich geneigtem Kopf an. »Was hast du gesagt?«
»Was ist, wenn ich sie heirate?«, sagte Andras. »Sie zu meiner Frau mache?«
»Meinst du das ernst?«, fragte Elisabet. »Willst du sie wirklich heiraten?«
»Ja.«
»Und sie würde dich nehmen?«
Ein langer Moment verstrich, in dem die Spannung für Andras ins Unerträgliche stieg. Doch dann nahm Klara seine Hand und drückte sie, fast so als habe sie Schmerzen. »Er weiß, was ich will«, sagte sie. »Wir wollen beide dasselbe.«
Andras stieß die Luft aus. Eine Welle der Erleichterung flutete über Elisabets Gesicht; ihre ständig gerunzelte Stirn wurde glatt. Sie kam durch das Zimmer und legte ihre Arme um Andras, dann gab sie ihrer Mutter einen Kuss. »Das wäre herrlich«, sagte sie, schlicht und ehrlich. Ohne ein weiteres Wort warf sie sich ihre Tasche über die Schulter und sprang polternd die Treppe hinunter.
»Herrlich?«, wiederholte Klara in der nachklingenden Stille, die immer auf Elisabets Abgänge folgte. »Ich bin mir nicht sicher, womit ich gerechnet habe, aber damit nicht.«
»Sie glaubt, dadurch würde es einfacher für Paul und sie.«
Klara seufzte. »Ich weiß. Wenn ich dich heirate, braucht sie keine Schuldgefühle haben, mich zu verlassen.«
»Wenn du glaubst, dass es etwas ändert, warten wir eben. Wir warten, bis sie mit der Schule fertig ist.«
»Das sind noch sieben Monate.«
»Sieben Monate«, sagte Andras. »Aber von da an haben wir den Rest unseres Lebens.«
Klara nickte und nahm seine Hand. »Sieben Monate.«
»Klara«, sagte er. »Klara Morgenstern, hast du gerade eingewilligt, mich zu heiraten?«
»Ja«, sagte sie. »Ja. Wenn Elisabet mit der Schule fertig ist. Aber das heißt nicht, dass ich sie mit diesem aalglatten Burschen nach Amerika verschwinden lasse.«
»Sieben Monate«, wiederholte Andras.
»Und vielleicht haben wir bis dahin unser geografisches Problem gelöst.«
Andras hielt sie an den Schultern fest und küsste sie auf den Mund, die Wangen, die Augenlider. »Darüber sorgen wir uns jetzt nicht«, sagte er. »Versprich mir, dass du nicht zu viel darüber nachgrübelst.«
»Das kann ich nicht versprechen, Andras. Wenn wir es lösen wollen, müssen wir darüber nachdenken.«
»Das machen wir später. Jetzt
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