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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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auf jeden Fall. Sie hat sich überhaupt nicht gewundert. Sie sagte, ich sei der Typ ihrer Mutter, was auch immer das heißt. Aber sie scheint nicht zu ahnen, dass József ihr Cousin ist.« Er seufzte. »Tibor, was in Gottes Namen mache ich hier?«
    »Das frage ich mich auch die ganze Zeit«, gab Tibor zurück und legte Andras den Arm um die Schultern. Kurz darauf tauchte József auf, drei Glas Champagner in den Händen. Er reichte jedem eins und stieß auf ihrer aller Gesundheit an.
    »Amüsiert ihr euch?«, fragte er. »Alle sollen ihren Spaß haben.«
    »Oh, ja«, sagte Andras, dankbar für den Champagner.
    »Ich sehe, ihr habt meinen amerikanischen Freund Paul kennengelernt«, sagte József. »Sein Vater ist irgendein Industriemogul. Automobilreifen oder so was Ähnliches. Seine neue Freundin hat für meinen Geschmack eine etwas zu spitze Zunge, aber er ist verrückt nach ihr. Vielleicht glaubt er, dass sich alle französischen Mädchen so aufführen.«
    »Wenn die kleinen Französinnen sich wirklich so benehmen, dann haben die Herren hier aber Probleme«, sagte Tibor.
    »Auf unsere Probleme!«, sagte József, und sie leerten ihre Gläser.
    Am nächsten Tag gingen Andras und Tibor durch die langen Gänge des Louvre, betrachteten die samtig braunen Schatten von Rembrandt, den überbordenden Zierrat von Fragonard und die muskulösen Kurven der klassischen Marmorstatuen; dann schlenderten sie am Fluss entlang zum Pont d’Iéna und blieben unter den gewaltigen Pfeilern des Eiffelturms stehen. Sie machten einen Bogen um den Gare d’Orsay, und Andras erzählte von seinem Modell des Bahnhofs; schließlich kehrten sie zum Luxembourg um, wo die Bienenhäuser stumm ihren Winterschlaf hielten. Sie gingen zu Polaner ins Krankenhaus, der nicht einmal wach wurde, als eine Krankenschwester seine Verbände wechselte; Polaner, dessen schreckliche Geschichte Andras Klara noch nicht erzählt hatte. Fast eine Stunde lang sahen sie ihm beim Schlafen zu. Andras wollte, dass sein Freund aufwachte, dass er nicht mehr so blass und reglos daläge; die Schwestern sagten, es ginge ihm allmählich besser, obwohl Andras keine Veränderung feststellen konnte. Anschließend gingen sie zum Sarah-Bernhardt, wo Tibor beim Abwracken half. Sie verstauten das Kaffeeservice, klappten den Holztisch zusammen, holten vergessene Nachrichten aus den Brieffächern der Schauspieler, beförderten herrenlose Requisiten ins Lager und Kostüme in die Schneiderei, wo Madame Courbet die Kleidungsstücke zusammenfaltete und in ihre penibel beschrifteten Schränke legte. Claudel schenkte Andras einen halb vollen Zigarrenkasten – eine ehemalige Requisite – und entschuldigte sich dafür, so oft zu ihm gesagt zu haben, er solle in der Hölle schmoren. Er hoffte, Andras könne ihm vergeben, nun da sie beide den Launen des Schicksals ausgeliefert seien.
    Andras verzieh ihm. »Ich weiß ja, dass Sie es nicht böse meinten«, sagte er.
    »So ein guter Junge«, sagte Claudel und küsste ihn auf beide Wangen. »Er ist ein guter Junge«, sagte er zu Tibor. »Ein Schatz.«
    Als sie gerade gehen wollten, trafen sie Monsieur Novak im Gang. Er lud sie ein in sein Büro, wo er drei Kristallgläser hervorholte und den Rest einer Flasche Tokajer ausschenkte. Sie tranken auf Tibors Studium in Italien, dann auf eine mögliche Wiedereröffnung des Sarah-Bernhardt und der drei anderen Theater, die in dieser Woche schlossen. »Eine Stadt ohne Theater ist wie ein Fest ohne Gespräche«, sagte Novak. »Egal, wie gut das Essen und die Getränke sind, die Leute finden es langweilig. Das hat Aristophanes gesagt, glaube ich.«
    »Danke, dass mein Bruder nicht in der Gosse gelandet ist«, sagte Tibor.
    »Oh, der wäre auch ohne mich zurechtgekommen«, gab Novak zurück und legte Andras eine Hand auf die Schulter.
    »Es war Ihr Regenschirm, der ihn gerettet hat«, sagte Tibor. »Sonst hätte er den Zug verpasst. Und dann hätte er vielleicht den Mut verloren.«
    »Nein, der nicht«, sagte Novak. »Nicht unser Herr Lévi. Der hätte es schon geschafft. Und Sie werden es auch schaffen, junger Mann, in Italien.« Er schüttelte Tibor die Hand und wünschte ihm alles Gute.
    Als sie gingen, war es bereits dunkel. Sie liefen am Quai de Gesvres entlang, und die Lichter der Brücken und Boote zitterten auf der Wasseroberfläche. Ein Wind blies über den Fluss, drückte Andras den Mantel auf den Rücken. Er wusste, dass Klara zu dieser Uhrzeit in ihrem Ballettstudio war und ihren Abendkurs

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