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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Unterschlupf gefunden hatte. Sie musste also an jedem Tag mindestens zweimal hinauf zur höchsten Stelle und an der anderen Seite wieder bergab laufen, was gerade im Winter bei Schnee und Eis nicht immer einfach war.
    Als sie das Kleid, an dem der Schlamm aus dem Fluss nun getrocknet war, gegen ein anderes tauschte, seufzte sie tief. Sie besaß nicht viele Kleider oder Röcke und nur einen Umhang. Von Schuhen gar nicht zu reden. Kaspar sorgte schon dafür, dass sie ständig zu waschen hatte, denn er schaffte es fast immer, die Tinte auf seinen Ärmeln oder Beinkleidern zu verteilen, statt sie auf das Pergament zu bringen. Sie dagegen ging besonders vorsichtig mit ihren Sachen um, weil sie wusste, dass sie immer ein bisschen dünner wurden, wenn man sie zu oft im Zuber schrubbte. Ärgerlich betrachtete sie ihren Umhang. Sie klopfte den groben Schmutz ab. Das Kleid würde sie auf jeden Fall waschen müssen, mit dem Umhang musste es eben so gehen. Sie konnte sich jetzt nicht damit aufhalten. Schon war sie wieder zur Tür hinaus, die Füße eiskalt in den noch nassen Schuhen.
    Sie war so in Eile, dass sie beinahe einen Mann umgerannt hätte, der den Schnee zur Seite geschoben hatte und gerade im Sand hockte, um seine Notdurft zu verrichten. Esther rümpfte die Nase. Konnte der Kerl das nicht ein wenig außerhalb der bewohnten Gassen erledigen? Außerdem, wozu gab es denn Kloaken? Sie winkte Reinhardt zu, einem der beiden Schreiber, die sich mit Kaspar die Stube teilten. Er winkte kurz zurück und redete dann wieder auf einen der Baumeister ein, die mit dem Bau des Rathauses beschäftigt waren. Zwischen dem Seidensticker, dem Löffelschmied und dem Schneider, der nur Frauengewänder anfertigte, die eifrig ihre Waren vor ihren einfachen Bretterbuden anpriesen, entdeckte sie im bunten Treiben des Marktplatzes plötzlich Vitus. Das vertraute, geliebte Gesicht war ernst und voller Sorge, wie so oft in den letzten Wochen und Monaten. Jetzt sah auch er sie, und seine Miene hellte sich auf. Er schob sich zwischen dem Hutmacher und zwei Laufburschen hindurch und kam zu ihr hinüber.
    »Esther!« Er ergriff kurz ihre Hände, ließ sie aber gleich wieder los. Es gehörte sich nicht, Zärtlichkeiten auszutauschen. Immerhin waren sie noch nicht verheiratet. »Was ist mit deinem Umhang passiert?«
    Sie errötete. Wie peinlich es war, ihm in einem derartigen Zustand unter die Augen zu treten.
    »Das war nichts«, schwindelte sie. »Nur ein kleines Malheur.« Sie blickte zu Boden.
    Glücklicherweise fragte Vitus nicht nach. Etwas schien ihn so zu beschäftigen, dass in seinen Gedanken für nichts anderes mehr Platz war.
    »Du bist auf dem Weg in die Schreibstube?«, wollte er wissen.
    »Ja.«
    »Das ist gut. Dann begleite ich dich.«
    »Gern!« Sie war ehrlich erfreut über die Aussicht auf ein paar Minuten mit ihm. Viel Zeit konnten sie nicht miteinander verbringen, bevor sie nicht vor Gott und den Menschen ein Paar waren. Wann das jedoch sein würde, stand in den Sternen.
     
    »Vitus, das ist eine Freude«, begrüßte Kaspar den Gast. Und an Esther gewandt fragte er: »Geht es dir wieder besser mit trockenen Kleidern am Leib?«
    Sie funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
    Vitus dagegen wurde aufmerksam. »Also doch nicht bloß ein kleines Malheur?«
    »Wie ich sagte, es war nichts weiter«, wiegelte sie ab. Ihr war nicht wohl in ihrer Haut, denn sie konnte es nicht leiden, ausgerechnet Vitus gegenüber unaufrichtig zu sein.
    »Nichts weiter?«, platzte Kaspar heraus. »Esther hat dem Petter das Leben gerettet!« Schon erzählte er die ganze Geschichte, ließ auch das kleinste Detail nicht aus, von dem selbst Esther bis zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst hatte. Sie wollte ein ums andre Mal Einspruch erheben, nur war Kaspar einfach nicht zu halten. So fügte sie sich in ihr Schicksal und ließ ihn erzählen.
    Als er geendet hatte, war es für einen Moment still in der kleinen Hütte. Vitus betrachtete Esther mit einem Blick, den sie nicht zu deuten vermochte. Wärme lag darin, aber auch Sorge meinte sie in seinen Augen zu lesen.
    »Du hast dieser unausstehlichen Rotznase also das Leben gerettet. Donnerwetter, Esther, das war sehr mutig.«
    »Ich war es ja nicht alleine.«
    »Du bist ins Wasser gegangen, obwohl es nur wenig gibt, das dir mehr Angst macht, und du glauben musstest, du wärst ganz allein. So mancher gestandene Mann hätte nicht den Mumm in den Knochen gehabt.« Er warf Kaspar einen missbilligenden Blick zu.
    Der

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