Die unsichtbare Handschrift
schwere Holzrad zu drehen, mit dem Steinblöcke und andere schwere Lasten in die Höhe gehievt wurden, schlug sich mit der schwieligen Pranke auf den Oberschenkel und lachte. Davon angefeuert, schmückte der Schmied die Geschichte immer mehr aus, berichtete von einer, die mit der Faust nach einer anderen geschlagen hatte. Wieder eine, ein besonders dralles Weib mit gewaltigen Brüsten, habe sich, während die Übrigen einander zerrend und kratzend davon abhielten, dem weißen Schatz nahe zu kommen, die Haube vom Kopf gerissen und diese emsig gefüllt.
»Dann ist die mit den dicken Titten jetzt reich. Eine Haube voller Salz, dafür kann sie ein kleines Vermögen verlangen«, meinte der Windenknecht anerkennend.
»Wenn sie’s denn hätte behalten dürfen!«
»Haben die anderen sie doch noch zwischen die Finger gekriegt?« Ihm war anzusehen, wie sehr er sich bereits auf deftige Einzelheiten freute.
»Die Weiber nicht, aber der Hafenvorsteher.«
»Oha, hat er ihr an Ort und Stelle den Hintern versohlt?« Wieder lachten beide schallend.
»Daran hätte er gewiss seine Freude gehabt. Welcher Mann hätte bei so einem prächtigen Arsch nicht gerne hingelangt?« Der Schmied zwinkerte Malwine, die gerade am Tisch vorbeiging, vertraulich zu. Sie lächelte.
Kaspar war das Verhalten der Kerle unangenehm. Es war ja nichts dabei, über einen üppig ausgestatteten Frauenkörper zu sprechen. Selbst Schilderungen ehelichen Verkehrs waren nicht ungewöhnlich. Im Gegenteil, wer als richtiges Mannsbild gelten wollte, gab gern zum Besten, wie er sein Weib gleich zweimal hintereinander hergenommen habe oder wie sie auf ihm geritten sei, bis der Morgen schon graute. Er selbst schämte sich stets, weil er bei derartigen Unterhaltungen immer nur zuhören konnte, was er freilich gern tat. Nur beitragen konnte er eben nichts. Wären es bloß die Ohren der Wirtsfrau, die solche Prahlereien auffingen, wäre es ihm herzlich egal. Bei der Tochter des Wirts jedoch schämte er sich, ohne dass er hätte erklären können, warum das so war.
»Ich hörte, du bist ein Schreiber«, sagte Malwine, als kaum noch Gäste an den Tischen saßen, und hockte sich auf die Bank ihm gegenüber.
»Das bin ich.« Der Alkohol vernebelte ihm ein wenig den Geist. Ihr Vater braute ein wahrhaft kräftiges Bier. Zudem wurde ihm ganz kribbelig, weil sie sich das erste Mal zu ihm setzte.
»Man erzählt sich über dich, du bist ein bisschen einfältig, stimmt das?«
Er spürte, wie er errötete, als wäre er ein Mädchen. »Ich weiß nicht recht, immerhin spreche ich vier Sprachen. Das kann nicht jeder von sich behaupten.«
»Vier Sprachen, wirklich? Nein, dann musst du sehr klug sein!« Sie hatte die großen braunen Augen weit aufgerissen und sah ihn bewundernd an. Kein Zweifel, sie trieb keinen Schabernack mit ihm, sondern meinte es ernst.
»Na ja, die meisten Schreiber müssen in der Lage sein, in verschiedenen Sprachen Urkunden oder Briefe zu verfassen. So besonders ist das nicht. Aber dumm bin ich ganz bestimmt nicht.«
»Darf ich dir noch Bier einschenken?«
Am liebsten hätte er nein gesagt, denn er wollte nicht, dass sie aufstand, um den Krug zu holen. Nie und nimmer würde sie sich wieder zu ihm setzen. Nachdenklich lutschte er an seiner Oberlippe.
Sie lachte hell auf. »Was tust du da? Schneidest du gern Grimassen?«
Er wusste nicht gleich, wovon sie sprach. Als er begriff, öffnete er augenblicklich den Mund und presste anschließend die Lippen fest aufeinander, damit er nur ja nicht wieder seiner Angewohnheit nachgab.
»Eins kannst du wohl noch vertragen«, beantwortete sie sich ihre Frage selber, stand auf und war wenig später zurück.
Kaspar sah ihr zu, wie sie seinen Becher füllte. Er dachte kurz an Esther, die sicher bereits ungeduldig auf ihn wartete. Andererseits waren sie und Vitus gewiss auch froh, ein paar Stunden ungestört zu sein. Sie turtelten doch allzu gern. Außerdem war es schließlich Esther gewesen, die ihm geraten hatte, Malwine den Hof zu machen. Dann wollte er das auch tun.
»Vor allem könnte ich eine hübsche Frau vertragen«, platzte es aus ihm heraus.
»Soso, na, du bist ja ein Schlimmer.« Sie zwinkerte.
Erst jetzt fiel ihm auf, wie niedlich die Grübchen in ihren Wangen waren. Und ihre blonden Haare glänzten wie Gold, viel schöner als die seiner Schwester. Was hatte er da eben gesagt? Du meine Güte, was sollte sie nur von ihm denken?
»Verzeihung, ich meine … Was ich eigentlich sagen wollte, ist, ich
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