Die unsichtbare Handschrift
könnte gut ein wenig Gesellschaft vertragen und würde mich freuen, wenn du dich noch eine Weile zu mir setzen würdest.« Seine Zunge war ihm schwer, er hatte sich alle Mühe gegeben, deutlich zu sprechen und sich manierlich auszudrücken.
»Gern!« Sie raffte den Rock, um über die Bank zu klettern. Dabei konnte Kaspar einen kurzen Blick auf ihr Knie erhaschen. »Deine Haare sehen aus wie ein Feuer. Du bist nicht oft hier, aber wenn du da bist, wünsche ich mir jedes Mal, ich könnte dein Haar berühren. Ich stelle mir immer vor, dass es ganz heiß sein muss.«
»Aber nein, es ist auch nicht wärmer als das Haar anderer Leute.«
Sie kicherte. »Ich weiß, doch ich stelle es mir immer so vor. Und dann würde ich zu gerne hineinfassen.«
»Meine Schwester tut das manchmal. Sie wühlt ihre Hände immer ganz tief hinein.« Er lachte verlegen.
»Die Glückliche.« Sie seufzte und lächelte die ganze Zeit so wunderhübsch, dass ihm ganz schwindlig war. »Magst du es, wenn sie in deinen Haaren wühlt?«
Wenn er ihr den Hof machen wollte, war das ein guter Moment, kam ihm in den Sinn. Er nahm seinen Mut zusammen und sagte: »Mir wäre es lieber, wenn das eine Frau täte, deren Herz ich erobern könnte.« Hoffentlich war sein Blick so verschmitzt, wie er es beabsichtigte.
»Jetzt nimmst du mich aber auf den Arm«, rief sie aus. »Du hast bestimmt schon eine Menge Herzen erobert und auch gebrochen, habe ich recht?«
»Aber nein!«, gab er aufrichtig zurück.
»Wie müsste sie denn sein, die, deren Herz du gerne erobern würdest?«
Wenn er sich nicht sehr täuschte, konnte sie ihn tatsächlich leiden. Jetzt bloß nichts falsch machen. Er nahm einen kräftigen Schluck Bier. Unsinn, was konnte er schon falsch machen? Sie mochte ihn, und er war ja auch weiß Gott ein toller Kerl.
»Sie müsste natürlich sehr hübsch sein«, begann er. »Anständig soll sie auch sein. Für mich kommt keine in Frage, die schon alle Kerle der Stadt ausprobiert hat.«
Sie machte große Augen, sagte aber nichts. Er war auf dem richtigen Weg, das fühlte er ganz deutlich.
»Und ein gutes Herz müsste sie haben.« Er himmelte sie an. »Dann vielleicht noch Grübchen in den Wangen und das blonde Haar eines Engels«, hauchte er.
Wieder kicherte sie. Dann nahm sie seine Hand. »Willst du mal anfassen?«
Benebelt vom Bier und vor allem von Malwine, starrte er auf die Stelle ihres Kleides, an der sich ihre Brüste abzeichneten. Sie waren nicht gerade groß wie Schafsköpfe, aber auch nicht eben klein. Nichts täte er lieber, als seine Hände darum schließen. Er musste schlucken und nickte. Sie lachte die ganze Zeit leise, um ihre Unsicherheit zu verbergen, wie er annahm. Dann legte sie ihm eine dicke Strähne ihres blonden Haars in seine Hand.
Seine Enttäuschung dauerte nicht lange. »Ganz weich«, flüsterte er. Am liebsten hätte er dieses Haar nie wieder hergegeben.
»Jetzt ich«, forderte sie und entzog ihm die Strähne wieder.
»Was du? Ach so, du willst, aber das … Wie sollen wir es machen?« Er glotzte sie hilflos an.
»Komm mir halt ein Stück entgegen«, kommandierte sie grinsend.
»Ach so, ja …« Er beugte sich vor und lehnte seinen Oberkörper an den Tisch. Auf der Stelle streckte sie die Finger nach seinem Wuschelkopf aus. Vorsichtig erst, als könnte sie sich wirklich verbrennen, dann packte sie jedoch ordentlich zu und vergrub die ganze Hand in seinem Schopf.
»Sie sind ganz fest«, bemerkte sie und betrachtete aufmerksam, wie seine Locken sich bewegten, wenn sie darin herumwühlte. »Es ist lustig.«
Er seufzte. »Es ist schön. Viel schöner, als wenn meine Schwester das tut.«
»Soll das heißen, ich darf mir Hoffnung machen, dass du jetzt versuchen wirst, mein Herz zu erobern?«
»Dürfte ich mir denn Hoffnung machen, dass es mir gelingt?«
Sie ließ den Arm sinken und berührte ihn dabei kurz mit der Hand an der Wange. Kaspar war überglücklich.
»Wenn ich dir darauf eine Antwort gäbe, wäre es zu einfach. Das musst du schon selbst herausfinden.« Damit erhob sie sich. Kaspar hoffte, er könne einen weiteren Blick auf ihre nackten Beine werfen, doch dieses Mal war ihm der Stoff ihres Kleids unglücklich im Weg.
»Dann darf ich wiederkommen?«
Sie spielte mit der Strähne, die sie ihn eben hatte berühren lassen, und schnupperte daran, als wäre sie in Gedanken.
»Ein jeder darf hier einkehren, wann immer er mag«, antwortete sie.
»Aber nicht ein jeder darf dein Haar berühren, hoffe
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