Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
wenig nach rechts, und jedes »d« wies in der Oberlänge eine halbmondförmige Wölbung auf. Auch sonst hatte sie alle Eigenarten Marolds exakt übernommen.
    Zunächst hatte er noch schmunzeln müssen, als er die Worte gelesen hatte. Seine Augen glänzten. Dann las er sie ein weiteres Mal und verglich konzentriert den Schwung der Buchstaben und ihre Besonderheiten mit denen, die er auf Marolds Papier sah.
    »Wie ein Haar dem anderen«, flüsterte er. Es klang fast ein wenig ängstlich, doch auch seine Bewunderung war nicht zu überhören.
    »Niemand würde den Schwindel bemerken«, sagte sie voller Überzeugung. »Und wenn doch etwas schiefginge, käme niemals jemand auf mich. Immerhin bin ich eine Frau, und Frauen vermögen nicht zu schreiben.« Sie strahlte ihn an.
    »Aus deinem Mund klingt das alles so einfach. Nur hast du dir nicht ausgemalt, was alles zu tun wäre, wenn wir wirklich eine gefälschte Urkunde nach Italien senden wollten.«
    »Was meinst du?«
    »Nun, wie ich hörte, wollen die Sendboten des Rates in vierzehn oder fünfzehn Tagen aufbrechen. Nur einmal angenommen, du hättest ein Pergament mit Marolds Schrift in unserem Sinne beschrieben, wie käme das in die Schultertasche der Boten? Hörst du, was ich sage, wir wollen es nur einmal annehmen. Es ist nicht ernst gemeint.«
    »Ja, schon gut.« Sie überlegte. Bisher hatte sie noch keinen einzigen Gedanken daran verloren, dass es mit dem Schreiben allein nicht getan sein würde.
    »Wie sollten wir überhaupt den Wortlaut in die Hände bekommen, den Marold verwenden würde? Man kann sich schlecht irgendetwas ausdenken. Dieser Schwindel flöge auf der Stelle auf.«
    »Du hast recht. Wäre es nicht am geschicktesten, man würde das fertige Dokument den Boten abnehmen, es neu schreiben und ihnen wieder zukommen lassen? Natürlich dürften sie das nicht bemerken.«
    »Natürlich nicht.« Er lachte auf. »Wir würden sie im Schlaf in der Kammer einer Schenke überraschen. Ich würde das Dokument aus der Tasche stibitzen, und du würdest es in einer Kammer nebenan abschreiben. Dann würde ich es wieder in ihre Tasche schmuggeln, und am nächsten Morgen würden sie unbekümmert ihres Weges reiten.«
    Ihr war klar, dass er Scherze mit ihr trieb, denn ein solcher Plan würde niemals aufgehen.
    »Oh, du solltest eine gute Auswahl an Tinten mitbringen, damit du auch die Farbe exakt triffst«, ergänzte er belustigt.
    Nun war ihr Ehrgeiz endgültig geweckt. Es musste einen Weg geben, auch wenn sie ihn keinesfalls tatsächlich gehen wollten.
    »Eine große Auswahl an Tinten dürfte unnötig sein, da die Boten das Schreiben nicht jeden Tag betrachten werden. Sie reiten damit nur zum Kaiser, und der hat es zuvor noch nicht gesehen, kennt also die Farbe auch nicht.«
    »Vielleicht kennt er nicht einmal Marolds Schrift. Dann wäre deine ganze Arbeit umsonst.«
    »Nein, die Boten in der Schenke zu bestehlen ist viel zu gefährlich«, sagte Esther und schüttelte den Kopf.
    »Es wäre zu gefährlich«, korrigierte Vitus. »Es wäre, Esther, wenn jemand so kühn wäre, den Plan zur Tat zu machen.«
    »Ja, gewiss«, entgegnete sie und warf ihm einen unschuldigen Blick zu. »Wenn jemand die Absicht hätte, die Fälschung des Rates durch eine eigene zu ersetzen, müsste er das in Lübeck tun. Am besten, er würde im letzten Moment, bevor die Boten die Abschrift abholen, den Tausch vornehmen.«
    »Ihm bliebe nur sehr wenig Zeit, um die eigene Abwandlung zu verfassen.« Sein nachdenkliches Gesicht verriet, dass auch er jetzt ernsthaft darüber nachdachte, wie der Plan gelingen könnte.
    In ihrem Kopf arbeitete es unablässig. Mit einem Mal sprang sie auf. Sie ging ziellos ein paar Schritte, dann kehrte sie zurück und setzte sich unter seinem belustigt-verwunderten Blick wieder hin.
    »Als Kaspar sich seine Tinte noch selbst gemischt hat, da ist es geschehen, dass er die Zutaten im falschen Verhältnis verwendet hat.«
    »Und?« Er hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte.
    »Mit der Tinte ließen sich glänzende braune Buchstaben malen, alles schien äußerst gut gelungen zu sein. Doch nach wenigen Augenschlägen konnte man zusehen, wie die Schrift zu verblassen begann und schließlich vollständig verschwunden war.«
    »Die Schrift hat sich aufgelöst?«
    »Gewissermaßen, ja.«
    »Wer Einfluss auf die geplante Fälschung nehmen will, müsste Marold eine solche Tintenmischung unterschieben.«
    »Dann müsste er ihn aus seinem Kontor locken«, spann sie den Gedanken

Weitere Kostenlose Bücher