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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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einberufen.«
    Kayser zeichnete aus, dass er auch in hektischen Situationen stets den Überblick behielt und mit vermeintlichen Sensationen und Skandälchen angenehm unaufgeregt umging. Auch in diesem Moment blieb er die Ruhe selbst.
    »Was halten Sie davon, wenn wir es uns mit einer Tasse Tee in meinem Büro bequem machen und Sie mir endlich erzählen, was Sie in Köln so Spannendes aus dem Schutt geborgen haben?«
    »Gute Idee.«
    Wenig später saß sie ihm in seinem Büro gegenüber, das schlicht und ein wenig altmodisch eingerichtet war. Von dem breiten Schreibtisch, dem Rollcontainer und dem mannshohen Regal war kaum etwas zu sehen, weil sich überall Papiere und Aktenordner stapelten. Dazwischen lagen Notizblöcke, kleine Blöcke knallgelber Haftnotizen, unzählige beschriebene Zettel und jede Menge Kugelschreiber herum, von denen die meisten vermutlich keinen Strich mehr von sich gaben. Im krassen Gegensatz zu dem nahezu alles bedeckenden Chaos stand ein einziges Quadrat seiner Schreibtischplatte, auf der zwei Servietten lagen. Dort befand sich ein Stövchen, in dem ein Teelicht flackerte, und darauf eine Porzellankanne mit chinesischer Malerei. Außerdem stand dort eine Tasse für etwaige Gäste. Sie hatte ebenso wie seine eigene Tasse einen Siebeinsatz und einen Deckel. Kayser füllte einen kleinen Löffel weißen Tee in den Einsatz, goss heißes Wasser darauf und schloss den Deckel. Er reichte ihr die Tasse und eine kleine Schale, in die sie den Siebeinsatz stellen konnte, wenn der Tee ausreichend gezogen hatte. Christa und ihr Chef arbeiteten schon lange und sehr gut zusammen. Von ihm hatte sie das chinesische Tee-Ritual gelernt, das ihr zu einer lieben Gewohnheit geworden war. Doch in diesem Moment hatte sie einfach nicht die Gelassenheit, um die Tasse an ihren Wangen entlangzurollen oder den Dampf in ihre Augen steigen zu lassen.
    »Na, dann mal los«, forderte er sie auf.
    Sie fuhr sich durch das kurze braune Haar und begann ohne Umschweife von dem Vermächtnis zu erzählen, das sie inzwischen so weit rekonstruiert und entziffert hatte, um sich ein Bild von der ganzen ungeheuerlichen Geschichte machen zu können.
    »Dieser Kaufmann aus Köln ist der mysteriösen Dame aus Lübeck dahintergekommen, dass sie in die Fälschung des Reichsfreiheitsbriefes verstrickt ist. Sie hat offenbar dafür gesorgt, dass dieser Passus in der Urkunde gelandet ist.« Sie hatte den Rahmen mit in das Büro genommen und las nun die Englandfahrer-Passage aus dem Pergament vor. Anschließend erzählte sie weiter: »Wenn sie ihr Vergehen gesteht, kommt sie in den Genuss von dreihundert Mark Silber, die er ihr vermacht. Übrigens hat er zugegeben, einen Mann getötet zu haben. Netter Haufen, was? Eine Betrügerin und ein Mörder.«
    »Moment, mal langsam. Was soll die Frau davon gehabt haben, dass dieser Passus eingefügt wurde? Und vor allem, wie hat sie Einfluss auf den Wortlaut nehmen können?«
    »Vielleicht hat sie einen Ratsherrn verführt. Oder sie hat sich als Mann verkleidet und als Schreiber gearbeitet.«
    »Wenn sie schreiben konnte, müsste sie eine Nonne oder eine Adlige gewesen sein. Wissen Sie schon etwas über ihre Identität?«
    »Nein. Ausgerechnet da, wo ihr Name gestanden hat, ist das Pergament so stark beschädigt, dass ich ihn noch nicht rekonstruieren konnte. Nicht einmal unter UV -Licht.«
    »Haben Sie es schon mit Infrarot-Reflektografie versucht?« Er gab sich die Antwort selbst: »Nein, haben Sie noch nicht, aber selbstverständlich haben Sie bereits daran gedacht.«
    Sie nickte. »Sehen Sie, das unterscheidet Sie von diesem unsäglichen Matthei. Der behandelt einen wie einen Idioten und geht immer davon aus, dass er der Einzige mit Fachkompetenz ist.«
    »Ich hoffe, Matthei und ich unterscheiden uns nicht nur in diesem Punkt.« Er machte ein finsteres Gesicht.
    Christa musste grinsen. »Sie können ihn auch nicht leiden, stimmt’s, Chef?«
    Wie sie erwartet hatte, war ihm keine Äußerung zu diesem Thema zu entlocken.
    »Allerdings habe ich wenig Hoffnung«, fuhr sie fort. »Wenn unter UV -Licht die Buchstaben nicht zu erkennen sind, gar nichts davon, ist es eher unwahrscheinlich, dass die IR -Reflektografie ein besseres Ergebnis bringt.«
    »Besser wenig Hoffnung als gar keine.« Er nippte an seinem Tee und wollte wissen, was sie als Nächstes vorhatte.
    »Ich werde mir unsere mittelalterlichen Urkunden vorknöpfen. Vielleicht lässt sich irgendwo ein Hinweis darauf finden, dass der Rat von Lübeck

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