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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Schimmer, was in letzter Zeit mit meiner Schwester los ist.« Er seufzte. »Du hast gewiss deine eigenen Sorgen, nur dachte ich, du bist ja auch eine Frau und verstehst womöglich, warum sie sich so eigenwillig aufführt.«
    Malwine saß dieses Mal neben ihm. Er war ungewöhnlich früh von der Baustelle weggekommen, und um diese Zeit war in der Schenke noch kaum Betrieb. Er spürte ihr Bein warm durch den Stoff ihrer Kleider.
    »Ich finde es schön, dass du mit deinem Kummer zu mir gekommen bist.« Sie lächelte, und ihm wurde ganz wohlig zumute.
    »Früher war sie stets zu Hause oder in meinem Skriptorium. Gut, hin und wieder hat sie auch Rinde gesammelt oder Gallen, wenn die Zeit dafür war, aber dann hat sie mir immer vorher gesagt, wohin sie gehen würde. Heute, als ich nach Hause kam, war sie nicht da. Ich weiß nicht, wo sie ist. Das geht schon ein paar Tage so.«
    »Vielleicht hat sie sich verliebt und trifft heimlich einen Mann.«
    »Aber nein, sie ist ja verlobt, jedenfalls beinahe. Sie liebt Vitus über alles. Nein, das kann es nicht sein.«
    »Kann doch sein, dass die beiden Streit hatten. Das kommt vor zwischen Liebenden.«
    »Ist das immer so?« Er legte den Kopf schief und sah ihr in ihre hübschen braunen Augen.
    »O ja, immer!«
    »Schade. Weißt du, wenn ich einmal eine Verlobte habe, dann will ich mich nie mit ihr streiten.«
    »Du weißt ja nicht, was dir entgeht.« Sie blickte sich um, ob auch keiner ihrer Unterhaltung lauschte, beugte sich so nah zu ihm, dass er den Duft ihrer Haut riechen konnte, und flüsterte: »Meine Mutter hat mir erklärt, es gebe nichts Besseres, als sich ordentlich die Hölle heißzumachen. Das bringt euch Kerle in Wallung wie nichts anderes. Sie behauptet, sie hat immer die allergrößte Freude, wenn es dann zur Versöhnung kommt.« Sie zwinkerte ihm zu. »Meine Eltern kabbeln sich oft, und sieh nur, wie viele Kinder wir im Hause sind.«
    »Von der Seite habe ich es noch nicht betrachtet.« Er schmunzelte. »Du bist eine kluge Frau, wie mir scheint.«
    »Und eine anständige noch dazu, mit blondem Haar und Grübchen.« Sie lachte. Dann fiel ihr etwas ein. »Mein Vater will sein Bier nicht länger nur in Lübeck verkaufen. Er sagt, wenn die riesigen Heringsschwärme bei Falsterbo und Skanör gehandelt werden, dann müsste man dort sein und Bier feilbieten. Wie denkst du darüber?«
    Ihr Antlitz wirkte mit einem Mal ganz ernst. Sie interessierte sich tatsächlich für seine Meinung. Jetzt galt es, etwas Gescheites zu äußern.
    »Wenn dein Vater so viel mehr braut, als in Lübeck durch die Kehlen fließen kann, ist das gewiss kein dummer Gedanke. Ich hörte, in Schonen wird lübisches Bier genauso geschätzt wie an vielen anderen Orten.«
    »Ein gewitzter Kaufmann könnte dort also ein lohnendes Geschäft machen?«
    Er nickte bedächtig. »Das glaube ich gewiss.«
    »Aber mein Vater kann weder schreiben noch rechnen.«
    »Das ist weniger günstig. Was das Schreiben betrifft, so biete ich ihm gern meine Hilfe an, nur am Rechenbrett bin ich nicht der Beste«, gab er zerknirscht zu.
    »Du würdest ihm immerhin mit dem Schreiben helfen, ist das wahr?« Sie strahlte über das ganze Gesicht, so dass sich ihre Grübchen besonders tief abzeichneten.
    »Natürlich!« Scheu setzte er hinzu: »Wenn ich dich dann öfter sehen kann, wüsste ich nicht, was ich lieber täte.«
    »Ich weiß aber nicht, ob mein Vater dir viel dafür geben könnte.«
    »Mach dir darum nur keine Sorgen. Ich helfe euch wirklich gern.« Malwine regelmäßig zu sehen war mehr Lohn, als er je bekommen hatte. Dafür wollte er sich gern den Buckel krumm sitzen.

[home]
    Lübeck, 15 . April 1226  – Esther
    S chon nach wenigen Schritten drang der Regen durch ihren Mantel, durchweichte die Kapuze, lief über ihr Gesicht. Tropfen sammelten sich in ihrem Haar, wurden dicker, fielen hinab und fingen sich in ihren Wimpern. Sie verschleierten ihr den Blick. Esther scherte sich nicht darum. Sie setzte einen Fuß vor den anderen. Trotz der Kälte, die mit der Nässe allmählich bis auf ihre Haut durchdrang, empfand sie beinahe so etwas wie Erleichterung. Ihr war, als wüsche der Regen, der so unschuldig vom Himmel kam, ihre Wange sauber, die Felding berührt hatte. Abzuwaschen, was sie sich hatte anhören müssen, war jedoch selbst dieser prasselnde Guss nicht in der Lage. Sie konnte kein einziges der Worte vergessen. Die dröhnten in ihren Ohren, als hätten sie sich dort eingebrannt. Sie nahm nichts anderes wahr,

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