Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
deutlich benachteiligt waren.
    »Der Gedanke, dass die besondere Stellung der Kölner vom Kaiser höchstpersönlich bestätigt wird, ist einfach wunderbar. Und in gewisser Weise haben wir doch auch ein Recht darauf. Immerhin haben Kölner längst vor den Lübeckern in London Geschäfte gemacht. Ohne Euch wäre ich dennoch nicht darauf gekommen, dass es mir zu einem ganz persönlichen Vorteil gereichen kann, dem Marold zu Diensten zu sein.« Er lachte fröhlich. »Ihr werdet das niederschreiben«, wiederholte er, »und zwar in der Handschrift des ehrwürdigen Domherrn Marold.«
    Wie vom Blitz getroffen blickte sie zu ihm auf.
    »Ja, auch das weiß ich. Es ist eigentlich nicht wichtig, kann aber auch nicht schaden. Merkt Euch, Ihr solltet bei all Euren Plänen, die Ihr noch aushecken werdet, immer einen Sündenbock parat haben.«
    »Ich werde gewiss nichts mehr aushecken«, flüsterte sie.
    »Sagt das nicht. Freut Euch lieber, dass ich nicht gern Euch als Sündenbock sehen will.«
    »Wahrscheinlich habt Ihr noch anderes mit mir vor.«
    »Nein, Esther, bestimmt nicht. Ich sagte Euch doch, ich kann Euch leiden.« Er stand auf und sah plötzlich ein wenig traurig aus. »Vielleicht finde ich kein Weib, weil mir keins traut. Aber warum nicht?«, fragte er sich selbst.
    Auch Esther stand auf.
    »Noch dreimal senkt sich die Nacht über Lübeck, kräht der Hahn, um einen neuen Tag zu begrüßen. Dann wird der Sendbote des Rates hier in diesem Skriptorium das Schreiben an sich nehmen, das von allergrößter Bedeutung für die Stadt, für mich und für Euch ist. Zu meiner unbändigen Freude tut eben dieser Bote, was ich wünsche, und für Euch gilt das auch. Ich bestimme den Lauf der Dinge und verdiene üppig daran. Merkt Euch, meine liebe Esther, so sollte ein Geschäft stets beschaffen sein.«
    »Ich schreibe also den Wortlaut der Wachstafel auf Pergament.«
    »In Marolds Schrift.«
    »Ja, in Marolds Schrift. Und Ihr werdet mich nicht verraten? Ihr spielt kein Spiel mit mir?«
    »Gute Frau, was kann ich tun, damit Ihr mir glaubt?«
    »Gebt mir eine Sicherheit. Gebt mir mein Geständnis, dass ich schreiben kann, zurück.«
    »Nein. Vielleicht tue ich es, wenn alles vorbei ist und die Reiter auf dem Weg nach Parma sind. Das werde ich mir überlegen.«
    »Ihr seid nicht aufrichtig zu Marold, sondern nutzt es aus, dass er Euch um einen Gefallen gebeten hat. Dafür verratet Ihr ihn an den Schauenburger. Doch auch dem gegenüber seid Ihr nicht aufrichtig. Wie kann ich da glauben, dass Ihr es zu mir seid?«
    »Das ist wahr, da könnt Ihr nie sicher sein.« Er lachte in sich hinein. »Nehmt das Wort eines ehrenwerten Kaufmanns. Mehr könnt Ihr nicht verlangen.«
    Sie zog abschätzig die Augenbrauen hoch, wagte aber nicht, weiter nach Sicherheiten zu verlangen, die er ihr ohnehin verweigern würde.
    »Ich werde morgen zur Mittagszeit hier sein, um Euch die genaue Stunde zu nennen, zu der der Bote kommt. Sorgt dafür, dass Ihr auch dann allein hier seid.« Er senkte den Kopf und schwieg. Was ging nur jetzt wieder in ihm vor? »Und nun muss ich gehen, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht. Ich schicke Euch nicht fort«, antwortete sie zögerlich.
    Er hob den Kopf und blickte ihr in die Augen. Zum ersten Mal sah er glücklich aus. Er erinnerte sie an einen Fuchs. Nein, nicht einfach ein Fuchs, ein junger Fuchs, der gerade mit seinen Geschwistern gespielt und gefressen hatte und sein junges Leben nach Herzenslust genoss. Sie war gerührt von diesem Anblick. Schweigend standen sie sich gegenüber. Jegliche Feindseligkeit war fort. Da hob er die Hand und streichelte ihr über die Wange.
    »Danke, Esther, das ist seit sehr langer Zeit das Schönste, was eine Frau zu mir gesagt hat.«
    Sie wusste nichts zu erwidern. Noch immer lag die schlanke Hand des Kaufmanns auf ihrer Wange, da klopfte es, die Tür flog auf, und Vitus trat aus dem Regen herein. Esther fuhr der Schock in die Glieder.
    »Mann in de Tünn, hast du mich erschreckt!«
    »Komme ich ungelegen?«, fragte er eisig und sah von ihr zu Felding. Der hatte es nicht eilig, seine Hand sinken zu lassen. Ein wissendes Lächeln trat auf sein Gesicht. Ihm war sofort klar, wen er da vor sich hatte.
    »Nein, natürlich nicht.« Esther spürte, wie ihre Wangen glühten. Es musste ja aussehen, als wären sie und der Besucher sich nähergekommen. »Das ist der ehrenwerte Kaufmann …«
    »Ich weiß, wer das ist«, fiel Vitus ihr ins Wort.
    Felding nickte ihm zu. »Vitus Alardus, nehme ich an?

Weitere Kostenlose Bücher