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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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unter dem Herzen getragen und vor der Zeit mitten auf dem Feld geboren hatte. Von einem Mord sprachen nur die Aufschneider, die Geschichtenerzähler, die Vergnügen daran fanden, wenn ihren Zuhörern die Haare zu Berge standen. Doch auch diesen Einwand hatte er einfach weggewischt. Erst als sie ihm traurig berichtete, dass sie einen furchtbaren Streit mit Vitus gehabt habe, beruhigte er sich ein wenig. Wenn sie so niedergeschlagen war, konnte er nicht länger mit ihr schimpfen.
    »Da hatte meine blitzgescheite Malwine also recht«, stellte er fest.
    »Meine Malwine?« Sie wurde hellhörig.
    »Als ich nach Hause kam und du nicht da warst, bin ich zu ihr in die Schenke gegangen. Ich habe ihr erzählt, wie wundersam du dich aufführst.«
    »Du kennst sie noch kaum, aber redest mit ihr über mich?« Sosehr sie sich für ihren Bruder freute, so fühlte sie sich doch gleichermaßen betrogen.
    Er ging nicht auf sie ein. »Sie ist sehr nett, weißt du, und verständnisvoll. Ich habe eine gute Weile bei ihr gesessen. Als ich wiederum nach Hause kam, warst du noch immer nicht da. Dabei war es schon beinahe Zeit, dass die Stadttore geschlossen wurden. Ich hatte wirklich Angst, dass dir etwas Grausames zugestoßen ist.«
    »Ich weiß ja, Kaspar, entschuldige bitte.« Bei der Erinnerung an die Wirtstochter schien sein Zorn endgültig verraucht zu sein. Mit leuchtenden Augen erzählte er von ihr. Es verpasste Esther einen Stich, ihn so frisch verliebt zu sehen, während sie ihre Liebe gerade verloren hatte. Als er bemerkte, wie traurig sie war, hörte er auf der Stelle auf, von Malwine zu schwärmen, und gab sich stattdessen alle erdenkliche Mühe, sie zu trösten.
    »Soll ich mal mit ihm reden, so von Mann zu Mann? Auf mich wird er bestimmt hören.«
    »Ich weiß nicht, Kaspar. Am besten, ich schlafe eine Nacht darüber. Vielleicht gehe ich morgen selber zu ihm. Oder er steht wieder vor unserer Tür, wer weiß? Gut möglich, dass ich dich doch bitte, mit ihm zu reden. Morgen ist ein neuer Tag, dann sieht die Welt gewiss ganz anders aus.«
    Kaspar war froh gewesen, dass sie nicht länger betrübt war. Er war auf ihr Spiel hereingefallen. Esther dagegen hatte mit Grauen an den nächsten Tag gedacht. Dann würde Felding wiederkehren, um ihr zu sagen, wann der Bote ihre Abschrift abholen würde. Wenn doch nur schon alles vorbei wäre, das Wiedersehen mit Felding und der ganze Schwindel mit dem Schriftstück.
     
    Nun war es bald so weit. Sie war an diesem Morgen zum Salzhafen hinuntergelaufen. Manchmal kam es vor, dass ein Sack mit dem weißen Gold einen Riss hatte und die wertvollen Körner im Sand landeten. Das war dann auch für die armen Leute die Gelegenheit, die Kostbarkeit zu erstehen. Esther hätte zu gern etwas Salz gehabt, denn dann hätte sie das Essen nicht nur schmackhafter zubereiten, sondern vor allem das Fleisch länger lagern können. Mit jedem Tag würde es jetzt wärmer werden, und Lebensmittel verdarben schneller. Leider hatte sie kein Glück gehabt.
    Felding wollte zur Mittagsstunde im Skriptorium sein. Sie würde auf ihn warten müssen, doch es war ihr lieber, zeitig dort zu sein. Immerhin war es möglich, dass sie Otto oder Reinhardt antraf. Und dann? Es musste ihr irgendwie gelingen, den Schreiber, im schlimmsten Falle beide, aus dem Haus zu treiben. Aber wie nur sollte sie das tun? Sie hoffte inständig, die kleine Werkstatt leer vorzufinden. Gerade bog sie in die Gasse ein, in der das Skriptorium lag, als Felding ihr über den Weg lief.
    »Bezaubernde Esther«, rief er ihr entgegen. »Welch ein Glück, Euch hier zu treffen!«
    »Ich grüße Euch, Josef Felding. War unsere Verabredung nicht für die Mittagsstunde ausgemacht?« Sie war verunsichert. Sie hatte ihn doch hoffentlich nicht falsch verstanden und dadurch warten lassen. Verärgert schien er jedenfalls nicht zu sein.
    »Ja, Ihr habt völlig recht, aber ich hatte etwas mit einem Ratsmitglied zu besprechen und dachte, ich schaue schon früher in Eurer Werkstatt vorbei.«
    »In der meines Bruders«, stellte sie richtig.
    »Wie auch immer. Jedenfalls hoffte ich Euch schon anzutreffen, doch ich hatte Pech. Nur ein Schreiber, der sich Reinhardt nennt, war zugegen. Wie ich sehe, lacht mir das Glück doch noch, denn es lässt Euch glatt vor meine Füße laufen.«
    Esther blickte sich hastig um. Sie war weniger glücklich darüber, ihn auf offener Gasse anzutreffen. Was, wenn Vitus es sich doch noch einmal überlegte, mit ihr sprechen wollte und sie beide

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