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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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erneut zusammen sah?
    »Nervös?«, fragte er mit schief gelegtem Kopf und zusammengekniffenen Augen.
    »Mir scheint, was wir zu besprechen haben, ist nicht für fremde Ohren bestimmt. Vielleicht sollten wir irgendwohin gehen, wo wir allein sind.«
    »Meine liebe Esther, Ihr erstaunt mich. Als ich Euch den Hof gemacht habe, gabt Ihr mir einen Korb. Habt Ihr es Euch anders überlegt?«
    »Gewiss nicht«, zischte sie. »Ich dachte, wir machen ein Geschäft. Haltet Ihr es für klug, dies hier draußen zu tun?«
    »Unser Geschäft wickeln wir erst morgen ab«, gab er leise zurück. Er griff in seinen Mantel und holte ein Licht hervor. »Zündet das morgen an, wenn die Glocke die sechste Stunde schlägt. Sobald es heruntergebrannt ist, geht Ihr in das Skriptorium und legt das von Euch verfasste Schreiben auf dem Pult ab, das diesem Reinhardt gehört.«
    »Aber wozu soll das …?«
    »Ihr seid nicht in der Position, mir Fragen zu stellen. Glaubt mir, es ist besser für Euch, wenn Ihr nicht zu viel wisst. Ein Frauenzimmer verplappert sich nur allzu schnell. Tut, was ich Euch gesagt habe. Der Bote wird sich das Schreiben holen, es versiegeln und dem Kaiser nach Italien bringen. Schon ist die Sache erledigt.«
    »Und dann? Werden wir uns wiedersehen?«
    »Ihr bittet mich um eine erneute Begegnung? Nur wir zwei?«
    »Ihr wollt mich falsch verstehen, nicht wahr?« Sie wusste, dass es nicht klug war, ihn wütend zu machen, aber sie war nun einmal selbst zornig und konnte ihren Ärger nicht einfach hinunterschlucken. »Ihr wisst genau, dass ich den Fetzen Pergament von Euch zurückhaben will.«
    »Ich habe Euch niemals versprochen, dass Ihr ihn von mir bekommt«, wies er sie zurecht. »Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Wenn ich Euch wiederzusehen wünsche, aus welchem Grund auch immer, werde ich es Euch schon mitteilen.« Er streckte ihr das Licht hin. Kaum dass Esther es an sich genommen hatte, ließ er sie stehen und ging, ein fröhliches Liedchen pfeifend, davon.
     
    Wenn doch nur alles bereits vorüber wäre, ging es ihr erneut durch den Kopf. Wenigstens musste sie nun nicht länger Zeit vergeuden und auf Felding warten. Sie konnte nach Hause gehen und die letzten Zeilen auf das Pergament setzen. Am Tag zuvor hatte sie eigentlich alles geschrieben haben wollen, doch dann kam der Streit mit Vitus dazwischen, und sie war fortgelaufen und viel später zurückgekehrt, als gut war. Die Auseinandersetzung mit Kaspar hatte ebenfalls eine gute Weile gedauert. Als sie sich schließlich in ihre Kammer hatte zurückziehen können, war es bereits so dunkel, dass es eine Qual war, die Buchstaben auf das Pergament zu bringen. Sie besaß keine eigene Öllampe für ihre Schlafstube. Entweder musste sie einen brennenden Kienspan mit der Linken halten, oder sie konnte ihn in den Halter an der Wand stecken. Dann allerdings kam das Licht von rechts, wenn sie sich auf ihr Lager setzte. Sie machte sich also selbst so viel Schatten, dass sie den Tintenstrich kaum sah. Im Stehen zu arbeiten war ebenfalls unsinnig. Ihre Schrift würde darunter leiden und niemals der von Marold so gleichen, wie es notwendig war. Mal hatte sie den Span in der Hand gehalten, dann wieder hatte sie sich so weit über das Pergament gebeugt, dass sie wenigstens eine Ahnung von den Linien hatte. Irgendwann hatten ihre Augen jedoch von der Anstrengung und der Erschöpfung des Tages gebrannt, und sie hatte die Tinte trocknen lassen und alles gut versteckt.
    An diesem Tag musste sie also ihre Aufgabe beenden. Sie lief die Gasse hinauf, bog rechts ab, dann wieder links und überquerte den Klingberg. Dort drehte sie sich um, weil sie ständig ein merkwürdiges Kribbeln im Nacken spürte, als würde jemand sie dauernd ansehen. Vom Pferdemarkt kamen Händler und Laufburschen heran und eilten zum größten Teil in Richtung der Breiten Straße davon. Ihr war kurz, als hätte sie einen großen Mann in einem schwarzen Umhang gesehen, doch als sie genauer hinblickte, war dieser nicht mehr zu erkennen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie schalt sich selbst eine Närrin. Sie musste sich geirrt haben. Ihre ängstliche Seele spielte ihr gewiss einen Streich. Noch zweimal abbiegen, dann hatte sie das Holzhaus erreicht, in dem sie mit Kaspar wohnte. Als sie vor der Tür stand, schaute sie sich noch einmal um. Wieder war ihr, als wäre dort ein schwarzer Umhang eben zwischen zwei Häusern verschwunden. Jemand war hinter ihr her. Und nun wusste er, wo sie wohnte. Ohne weiter darüber

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