Die unsichtbare Pyramide
möglich fragte er: »Eine Kiste?«
»Ja. Ein mit Eisen beschlagenes Ding, das beim Transport immer unter einem Tuch mit seinem Wappen verborgen ist.«
»Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Was geschah dann?«
»Nichts. Er hat seinen Adjutanten enthaupten lassen.«
Trevir reckte unbehaglich das Kinn vor. »Vermutlich hat er anschließend einen Boten nach Zennor Quoit zurückgeschickt.«
Featherbeard machte ein erstauntes Gesicht. »Woher weißt du das?«
»Ich selbst hätte an Mologs Stelle nicht anders gehandelt – abgesehen von der Enthauptung natürlich.«
Der Krieger schob die Unterlippe vor und nickte bewundernd. »Aber was aus dem Boten geworden ist, weißt du nicht. Er kam nie zurück.«
»Was du nicht sagst! Warum?«
»Lange wussten wir es nicht. Molog hat noch zwei weitere geschickt und der letzte wäre wohl auch nie wiedergekommen, wenn unser Herr ihm nicht bei seiner Mutter versprochen hätte, ihm den Kopf auf den Schultern zu lassen. Danach war alles klar. Stell dir vor! Irgendjemand hatte es doch tatsächlich gewagt, in die Festung einzudringen und die fehlenden Manuskripte zu stehlen. Soweit ich weiß, sind sie nie wieder aufgetaucht.«
»Ist nicht möglich!«
»Doch.«
»Das muss für Molog allerdings eine ärgerliche Nachricht gewesen sein.«
»Ja. Er hat den Boten noch am selben Tag aufgehängt.«
»Und nun?«
»Was nun?«
Trevir stöhnte. Featherbeard war auf seine Art ein gar nicht so übler Kerl, aber sein Hirn konnte bestenfalls die Größe einer Walnuss haben. Betont langsam fragte er: »Wie findet Molog dieses gewaltige Etwas im Wald, wenn ihm die Schatzkarte fehlt?«
Featherbeard machte ein verdutztes Gesicht. »Sie fehlt ihm doch gar nicht. Alles, was er vermisst, ist so eine Art Zeittafel. Niemand darf sie sehen. Deshalb ist er so wütend über ihr Verschwinden. Er selbst braucht sie gar nicht, weil er alles im Kopf hat; unser Herr Molog ist nämlich blitzgescheit!«
»Dann können wir uns ja bald auf eine Überraschung freuen.«
»Wieso denn das?«
Trevirs Verstand arbeitete jetzt auf Hochtouren. Er musste seine Worte sorgsam wählen. Lächelnd erwiderte er: »Na, weil wir das ›gewaltige Etwas‹ nun nicht mehr verpassen können. Die Schatzkarte ist noch da, in der Kiste, die du erwähnt hast, in Mologs Zelt – stimmt doch, oder?« Gespannt schielte er zu dem Krieger an seiner Seite.
Featherbeard nickte. »Stimmt.«
Als das Schwarze Heer zwei Tagesmärsche tief in den Kentish Weald eingedrungen war, ließ Molog auf einer großen Lichtung ein befestigtes Lager errichten. Zwar hatten sich noch keine Feen oder Trolle blicken lassen, aber unter den Soldaten kursierte das hartnäckige Gerücht, eine solche Begegnung stehe unmittelbar bevor, weil man in einem Zauberwald eben mit allem rechnen müsse. Ein Zaun aus Spitzpfählen sorgte unter den Kriegern für eine fast schon wieder normale Stimmung. Das änderte sich, als Cord von Lizard zahlreiche Erkundungstrupps zusammenstellte, die den Kentish Weald systematisch durchsuchen sollten. Bei einigen Kundschaftern lockerte die Angst vor dem Riesenwald die Zunge und bald wusste jeder im Lager, worum es bei diesem Unternehmen ging.
»Sie suchen eine Stadt«, flüsterte Featherbeard aufgeregt. Er und Trevir waren zum Schutz der Palisadenfestung abkommandiert.
Trevir gab sich überrascht. »Hier? Mitten im größten Wald von Valisia?«
»Ja, stell dir vor!«
Das tat Trevir. Eine schlimme Vermutung nach der anderen war bis zu diesem Zeitpunkt eingetroffen.
Was würde Molog unternehmen, wenn er die Verbotene Stadt erst gefunden hätte? Der Hüter des Gleichgewichts fasste einen Entschluss.
Nachdem Dunkelheit sich über das Lager gelegt hatte und ringsum ein vielstimmiges Schnarchen erscholl, rollte Trevir sich aus seiner Schlafdecke und schlich in den Schatten des nächstgelegenen Zeltes. Schweren Herzens hatte er Aluuins Stab zurückgelassen; er würde ihn später holen. Im Lager glosten überall die Reste von Lagerfeuern. Es roch nach verbranntem Holz, ungewaschenen Leibern, eingefettetem Stahl, Wald und feuchtem Gras.
Trevir sah sich aus seinem dunklen Versteck nach allen Seiten um. Vor allem die Wachen auf dem Wehrgang der Palisade bereiteten ihm Sorge. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich zwar auf den Wald jenseits des Zaunes, aber verlassen konnte man sich darauf nicht. Es würde schwierig werden, unbemerkt bis zu Mologs Zelt vorzudringen.
Der Hüter des Gleichgewichts war nervös. Er wusste aus dem in Mologs
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