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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Francisco hätte sich am liebsten in ein Schneckenhaus verkrochen, weil er sich wie befürchtet bis aufs Hemd blamiert hatte. Nur Wu Mengfu, der Abt, lächelte, als gelte es, einem schwächelnden Novizen Nachsicht zu zeigen, und sagte: »Wollen Sie nicht heute Nacht unsere Gäste sein und es morgen noch einmal probieren?«
    »Was soll das bringen?«, fragte Xi.
    »Das ist sehr freundlich…«, zauderte Vicente.
    »Ja, gerne!«, antwortete Francisco.
    Kurz vor Mitternacht hielt er es nicht mehr aus. Er hatte sich mindestens zwei Stunden lang auf seiner Matte hin und her geworfen, ohne auch nur eine Minute Schlaf zu finden. Jetzt stand er leise auf und schlüpfte in seine Kleider. Mit Vicente teilte er sich ein kleines Zimmer, das ihnen Wu Mengfu zugewiesen hatte. Professor Xi musste im großen Dormitorium mit den anderen Mönchen schlafen. Obwohl Yunjusi keines jener buddhistischen Klöster war, die mit der Beherbergung von Gästen ihre Einkünfte aufbesserten, hatte man sich für die Unterbringung der Besucher doch bestens gerüstet gezeigt. Es war sogar – entgegen dem Rat der vergrabenen Steintafeln – ein Nachtmahl gereicht worden.
    Gerade wollte Francisco die Schiebetür öffnen, um sich nach draußen zu stehlen, als sich Vicente rührte.
    »Wo gehst du hin?«
    »Ich muss an die frische Luft.«
    »So wie letztens?«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Von Glastonbury selbstverständlich. Deine fünfte Welle kommt. Diesmal will ich dabei sein.« Vicente befreite sich aus seiner Decke.
    »Kommt nicht infrage«, zischte Francisco.
    »Sei kein Spielverderber.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Ich habe Nein gesagt.«
    »Ich bin dein Bruder, Francisco. Du brauchst dich nicht zu zieren.«
    »Wer sagt denn, dass ich mich…?«
    »So, ich bin fertig.« Vicente war schon angezogen. Er hatte dazu weniger als sechzig Sekunden gebraucht. »Soll ich die Ausrüstung mitnehmen?«
    »Ist mir doch egal.« Francisco glitt aus dem Raum in einen fensterlosen, von einer Petroleumlampe schwach erleuchteten Flur. Vorbei an bemalten Wänden und Schiebetüren schlich er zum Ausgang. Hier wurde er von Vicente eingeholt, der nun doch seine Apparatetasche schleppte.
    Am Nachmittag hatten sie das Klosterareal durch eine Nebenpforte verlassen, um zur Donnerklanghöhle hinaufzugehen. Auch jetzt war die schmale Tür in der Mauer unverschlossen. Mit langen Schritten gingen die Brüder hangaufwärts, die silberne Scheibe des Mondes wies ihnen den Weg. Jedenfalls zu Beginn des Marsches. Als das Kloster etwa einen Steinwurf hinter ihnen lag, meldete sich Vicente zu Wort.
    »Ich glaube, es geht los.«
    Francisco hatte die schwache blaue Aura noch gar nicht bemerkt, aber das war normal, wie er längst wusste. Er hielt sich die Finger der rechten Hand vors Gesicht. »Du hast Recht.«
    »Sag, was du fühlst.«
    »Unruhe.«
    »Komm schon, Bruderherz! Da muss doch noch mehr sein. Was passiert gerade mit dir?«
    Mit grimmiger Miene stapfte Francisco bergan. Er hatte die Arme eng um den Leib geschlungen, als friere er. Seine Augen waren wieder auf den Weg gerichtet. Bei seinem letzten Aufglühen hatte ihn niemand angestarrt wie ein radioaktiv markiertes Wechseltierchen unter dem Mikroskop. Vielleicht brauchte er das Alleinsein, um wieder mit Topra oder Trevir in Kontakt treten zu können. Letzterer hatte ihm aus der Blutquelle zugerufen, er solle sich bis zur nächsten Welle bereithalten. Jetzt war es so weit. Am liebsten hätte sich Francisco an einen anderen Ort versetzt, um allein zu sein. Er schüttelte den Kopf. Kindischer Gedanke!
    »Francisco, sprich mit mir!« Vicentes eindringliche Ermahnung riss dessen Bruder in die Wirklichkeit zurück.
    »Was?«
    »Du strahlst wie der Lichtbogen einer Hochspannungsanlage.« Vicente hatte sein T-Shirt am Bund hochgenommen und sich über den Kopf gezogen, weil er die Helligkeit nicht ertrug.
    Endlich gab Francisco dem Drängen seines Bruders nach. »Ich komme mir vor wie im Auge eines Zyklons: Um mich herum tobt der Wirbelsturm, aber in mir ist es ganz still.«
    »Was ist mit der Unruhe?«
    »Weg. Na ja, nicht ganz. In meinem Kopf wirbelt’s noch, aber das hat andere Gründe. Ich kann nicht verstehen, was mit mir passiert. Da ist so ein Gefühl… als würden mir die Arme ausgerissen, wenn ich sie ausbreite.«
    »Das ist die Kraft des Multiversums. Sie strömt durch dich hindurch. Daher auch das Licht«, erklärte Vicente begeistert.
    Irgendwie wirkte die ganze Situation bizarr: Er klang, als rede er von der

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