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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Entdeckung der Kernspaltung, sah mit seinem nackten Bauch und dem umgestülpten T-Shirt über dem Kopf aber aus wie ein kleines Kind, das nicht gesehen werden wollte.
    »Du meinst, wie wenn ein Teilchen mit seinem Antiteilchen zusammentrifft?«, fragte Francisco.
    »Endlich hast du’s kapiert, Bruderherz! Was ist mit den gesuchten Schrifttafeln? Wenn du wirklich Dinge finden kannst, die anderen verborgen sind, dann müsste die Gabe in dir jetzt regelrecht explodieren.«
    Die Suche nach den alten Texten war einer der Gründe, weshalb es Francisco hinausgetrieben hatte. Er schloss die Augen. Um die Fragen aus seinem Geist zu verscheuchen, stellte er sich eine der beschrifteten Steinplatten vor, von denen ihnen Professor Xi ein Foto gezeigt hatte. »Novus Ordo Seclorum«, flüsterte er, einmal, zweimal, immer wieder. Die Neuordnung der Zeitalter, wo war sie beschrieben? Hatten die Mönche des Wolkenheimklosters überhaupt etwas darüber gewusst? Es wollte sich kein Bild in Franciscos Kopf einstellen. Seine »Kompassnadel« rührte sich nicht. Er formulierte die Frage anders: Hatten die Verfasser der steinernen Bibliothek gewusst, wo dieses Wissen zu finden war…?
    Der Gedanke hatte sich noch nicht ganz in Franciscos Kopf ausgeformt, als er jäh ein vertrautes Gefühl verspürte. Jemand, der einen verlegten Gegenstand sucht und sich plötzlich wieder erinnern kann, wo er ihn abgelegt hat, empfindet ungefähr das Gleiche. Francisco öffnete die Augen und deutete den Berg hinauf. »Da entlang!« Schon lief er los.
    Vicente stolperte mit seiner Kunststofftasche hinterher. »Sag bloß, du spürst was?«
    »Ich weiß jetzt, wo die Tafel ist: in der letzten Höhle.«
    »Das gibt’s nicht.«
    »Wenn du mir nicht glaubst, können wir ja wieder schlafen gehen.«
    »Bist du von Sinnen! Ich schleppe die Kamera, den Laptop und das ganze Zeug doch nicht umsonst durch die Gegend.«
    Kurze Zeit später hatten sie die neunte Kammer erreicht. Vicente brauchte nicht einmal seine Halogenlampe zu bemühen, um einen Spalt in der Steintür zu finden, der groß genug war, um seine Fingerkamera einzuführen. Darin nämlich bestand der Kompromiss, den der Abt Yi sowie Professor Xi mit Wu Mengfu und den Regierungsstellen ausgehandelt hatten: Ein kleines Objektiv auf einem dünnen biegsamen Hals, wie man sie auch in der medizinischen Stethoskopie für Magen- oder Blasenspiegelungen verwendete, durfte durch eine schmale Öffnung ins Innere einer der Höhlen geschoben werden. Die Bilder dieser Kamera wurden direkt in einen tragbaren Computer eingespeist, um auf dessen Bildschirm angezeigt und auf der Festplatte abgelegt zu werden.
    Vicente zog sich das T-Shirt vom Gesicht und wandte seinem Bruder den Rücken zu, um den Monitor mit dem Körper zu beschatten. Kurz darauf pfiff er durch die Zähne. »Wahnsinn! Dein Glanz schießt richtige Lichtpfeile in die Höhle. Wir können fast auf die Lampe verzichten.«
    Als Francisco über die Schulter seines Bruders schielte, überstrahlte sein Glanz das Bild im Deckel des Laptopcomputers. »Ich kann nichts erkennen.«
    »Ich jetzt auch nicht mehr. Geh bitte wieder zur Tür und such dir einen zweiten Spalt, um die Leuchte hineinzuschieben, damit wir den Innenraum gleichmäßiger ausleuchten können.«
    Auch das Hilfslicht saß auf einem Schwanenhals aus beweglichen Gliedern, der sich verbiegen ließ. Nachdem Francisco eine Lücke in der Tür gefunden und die Lampe eingeführt hatte, gewann das Bild auf dem Monitor deutlich an Brillanz.
    »Ich fass es nicht!«, staunte Vicente erneut. »Die Zeichen auf den Tafeln sind ganz deutlich zu erkennen. Wenn ich sie nahe genug heranzoome, kann ich sie auf der Festplatte speichern und morgen früh Professor Xi zeigen.«
    »Es sind zu viele Dokumente. Xi würde Wochen oder gar Monate brauchen, sie alle zu übersetzen.«
    »Wie kannst du das wissen? Du hast das Kamerabild doch gar nicht gesehen.«
    »Genügt es dir nicht, wenn ich durch das Steintor schaue?«
    Vicente blickte staunend über die Schulter zu seinem Bruder. »Das ist unvorstellbar. Du kannst wirklich…?«
    »Ja. Ich kann«, antwortete Francisco verdrießlich. Seine rechte Hand hielt jetzt wieder die Fingerkamera. Der Spalt, in dem sie steckte, lag etwa einen halben Meter über dem Boden. »Lass mich mal versuchen, das Objektiv ganz nach links zu schwenken. Da müsstest du acht ungravierte Tafeln sehen, auf denen sich die aufgemalten Buchstaben schwach abzeichnen.«
    Vicente gab Anweisungen. »Rück es noch

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