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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Mutter, nahm noch einmal ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste ihre Stirn. Leise flüsterte er ihr ins Ohr: »Wohin immer du gehst, ich behalte dich im Herzen.«
    Hiernach erhob er sich und ergriff Wiras Hände. »Danke für alles, was du für sie getan hast.«
    »Ist schon gut, Junge. Ich habe sie auch geliebt. Mach dir um ihre sterblichen Überreste keine Sorgen. Ich werde mich um sie kümmern und ich verspreche dir, wir sehen uns wieder. Dann erzähle ich dir mehr über die Blume vom Nil.«
     
     
    Obwohl Hobnaj geahnt hatte, wie es um Gisas Gesundheit stand, erschütterte ihn die Nachricht von ihrem Tod doch bis ins Mark. Spätestens jetzt, wo er voll ohnmächtiger Wut die Fäuste ballte und vergeblich gegen die Tränen ankämpfte, wurde sichtbar, wie groß noch immer seine Liebe zu Topras Mutter war.
    Nachdem die Vollzugsbeamtin Hobnuth ihren säumigen Besucher mit einem zornigen Glühen in den Augen verabschiedet hatte, war der – den Anweisungen seines Leibwächters folgend – über diverse Umwege ins Hafenviertel zurückgekehrt. Hier hatte er seinen gespannt wartenden Gefährten Bericht erstattet, seinem Groll gegen den Pharao und dessen Gemahlin Luft gemacht sowie seinem Durst nach Rache Ausdruck verliehen. Anschließend war er so erschöpft, dass er lange nichts mehr sagen konnte.
    »Wenn ich nur wüsste, wie sie das gemeint hat«, knirschte er nach einer längeren Stille. Er saß an einem wackeligen Holztisch, die vor Trauer schwere Stirn auf die Hand gestützt, und schüttelte unablässig den Kopf.
    Hobnaj wischte sich mit dem Ärmel über die feuchten Augen. »Woran denkst du?«
    »An die letzten Worte meiner Mutter. Es kam mir so vor, als sei sie nicht mehr bei Verstand. Sie stammelte etwas vom Totengott Ptah. Fast klang es so, als solle ich ihr ins Jenseits folgen. Ich verstehe es nicht.«
    »Was genau hat sie gesagt? Kannst du dich daran erinnern?«
    Topra schüttelte wieder den Kopf, aber es war mehr eine Geste der Verzweiflung. »Alles klang so wirr. ›Gehe zu ihm!‹, befahl sie mir, aber dann versagte ihr die Stimme und erst nachdem sie geschluckt hatte, fügte sie noch an: ›Zu Ptah.‹«
    »Ist das alles?«
    »Nein. Sie nannte ein Wort oder einen Namen, Hetta-Ptah oder so ähnlich.«
    »Möglicherweise Heth-ka-Ptah?«
    »Ja, genau das hat sie gesagt. Was bedeutet das?«
    Hobnaj ging zu seinem Seesack, der in der Ecke des Zimmers lag, kramte kurz darin herum und förderte schließlich eine zusammengefaltete Karte zutage. Mit dieser kehrte er zum Tisch zurück, breitete sie dort aus und erklärte, während er auf sie deutete: »Das Ding hier bekommst du in jedem Informationsbüro der Kaiserlichen Tourismusbehörde.«
    »Ein Plan des Millionenjahrhauses«, murmelte Topra.
    »Ja, wobei er ebenso wenig alle Gebäude zeigt wie die hübschen Bildbände von dem Palastbezirk, die du in den Buchhandlungen kaufen kannst. Aber das spielt im Moment auch keine Rolle. Hier.« Der Nubier tippte mit dem Zeigefinger auf ein gelb eingezeichnetes Gebäude inmitten von Parkanlagen. »Das ist Heth-ka-Ptah, ein Tempel. Sein Name ist altbaqatisch und bedeutet ›Haus des Ka und Gottes Ptah‹. Er liegt etwa eine Drittelmeile vom Hauptpalast entfernt. Deine Mutter wollte dich nicht auffordern ins Totenreich zu gehen, sondern in dieses Haus. Oder…«
    »Oder?«
    »Hat sie noch etwas gesagt?«
    »Sie erwähnte Zepter, die ich ergreifen soll.«
    Hobnaj hieb sich mit der Faust in die offene Hand. »Das ist es! Lass mich raten, Topra. Unmittelbar bevor sie diese letzten Worte an dich richtete, hat sie von Pharao Isfet geredet.«
    »Kannst du neuerdings Gedanken lesen? Sie sprach tatsächlich davon, dass mein Vater viele alte Geheimnisse kennt, die in den Hieroglyphen der Kammer des Wissens verschlüsselt sind. Auch flehte sie mich förmlich an, Isfet und ›Ibah-Ahitis Bastard nicht gewähren‹ zu lassen.«
    »Dann ist alles klar.«
    »Hobnaj«, stöhnte Topra, »in meinem Kopf gibt es keinen einzigen klaren Gedanken mehr. Wenn du weißt, wie ich meine Mutter rächen kann, dann sag es mir.«
    »Rache ist ein schlechter Berater, Junge, sie trübt das Denkvermögen. Doch wenn am Pharao Gerechtigkeit geübt werden kann, dann bin ich auf deiner Seite. Ptah war, lange bevor er durch die Verbindung mit Sokar, dem Totengott von Memphis, seine dunkle Seite erhielt, der Schöpfergott. Wann immer seine Gedanken etwas aussprachen, entstand Neues. Du siehst, es kann trügerisch sein, auf den ersten Schein einer Sache zu

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