Die unsichtbare Pyramide
Hobnajs Anweisungen. Er räusperte sich und sagte gestelzt: »An den Katarakten des Nils sind schon viele Schiffe gescheitert.«
Mustafas Antlitz blieb unbeweglich, aber seine schwarzen Augen blitzten kurz auf. Langsam erwiderte er: »Für manchen sind sie wie die sieben Pforten der Hölle.«
»Wie kann das sein, wenn die Wasser unserer Lebensader doch nur sechs Stromschnellen überqueren?«
Nun vollzog sich an dem Eisenwarenhändler eine wundersame Verwandlung. Er sprang von seinem Hocker auf – wodurch er ein Stückchen kleiner wurde –, kam freudestrahlend um den Tresen herumgelaufen und drückte Topra kurzerhand an seine schmale Brust. »Wir hatten schon befürchtet, die Hunde würden Euch gar nicht mehr herauslassen.«
Uräus kam wie auf Befehl herbeigelaufen, blickte zu den beiden Männern hoch und wedelte mit dem Schwanz.
»Hunde?«, fragte Topra.
»General Waris’ Rotte.«
»Ihr wisst, was mir widerfahren ist?«
»Ja, natürlich. Und lassen wir doch diese Förmlichkeit. Ich bin Mustafa und du – soll ich dich Takuba nennen?«
Topra schüttelte staunend den Kopf. »Hobnaj scheint seine Männer wirklich überall zu haben.«
Mustafa zwinkerte ihm zu. »Es gibt auch einige Frauen, die auf unserer Seite kämpfen. Komm mit in mein Kabuff. Da können wir auf unseren Ebenholzfreund warten.«
Der Eisenwarenhändler führte Topra um den Verkaufstisch, wo ein großes Plakat, das Pharao Isfets Glorie beschwor, eine verborgene Tür verbarg. Hinter dieser lag ein schmaler, fensterloser Raum, der von einer nackten Glühlampe unter der Decke ausgeleuchtet wurde. An der Trennwand stand ein verschrammter, mit allerlei Papieren überhäufter Schreibtisch und davor ein Drehstuhl. Mustafa nötigte seinen Gast Platz zu nehmen und machte sich auf die Suche nach seinem Telefon, das er bald unter einem Stapel auseinander rutschender Formulare entdeckte. Sein ölverschmierter Finger brachte die Wählscheibe zum Tanzen.
Er lauschte grinsend auf ein Lebenszeichen vom anderen Ende der Strippe und gab sodann folgende Nachricht zum Besten: »Unser Schiff hat vor dem fünften Katarakt das Ufer angesteuert.«
Nachdem er wieder aufgelegt hatte, wandte er sich entschuldigend an seinen Gast. »Die Sprüche sind nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich weiß nicht, was Hobnaj sich dabei gedacht hat.«
»Ich schon«, murmelte Topra.
Kaum eine halbe Stunde später – Mustafa hatte in der Zwischenzeit eine Garnitur Zeltpflöcke und eine Spirale zur Bekämpfung verstopfter Abflüsse verkauft – schlug Uräus erneut an. Zwei vermummte Teguar waren in das Geschäft getreten, der eine aufrecht wie ein Fürst, der andere riesig, aber gebeugt, weil er sich gerade den Kopf an einer gusseisernen Pfanne gestoßen hatte, die nun wie eine Glocke tönend an der Decke schaukelte.
Die Trennwand des versteckten Zimmers dämpfte alle Geräusche des Basars. Topra spähte durch ein Guckloch nach vorn.
Als er Hobnaj und Asfahan entdeckte, stieß er einen Jubelschrei aus. Sekunden später lagen sich die Gefährten in den Armen. Der Eisenwarenhändler hatte sich auf die Straße begeben, um einstweilen die Kunden aus dem Geschäft fern zu halten.
»Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet«, gestand der Nubier, während er seinen Kopf aus dem blauen Tuch befreite.
»Mustafa erzählte mir, du wüsstest, was mit mir geschehen ist.«
»Ja, und zwei, drei Tage lang haben wir um dich gezittert.«
Topra ergriff Asfahans Unterarm, einfach weil er seine beiden Freunde nicht nur sehen, sondern auch fühlen wollte. »Es tut mir Leid, wenn ich euch Kummer bereitet habe. Nach dem Tod meiner Mutter ist mir…«
»Lass uns nicht mehr drüber reden«, unterbrach ihn Hobnaj.
»Vielleicht stellt sich deine Hitzköpfigkeit für uns ja sogar als Segen heraus. Es ist schon ein tollkühnes Stück, das du dir da erlaubt hast!«
»Anscheinend muss ich dir gar nichts erzählen. Woher weißt du so gut über die Vorgänge bei Hof Bescheid?«
Hobnaj präsentierte sein weißes Gebiss. »Es ist für uns alle besser, wenn die Namen unserer anderen Verbündeten im Millionenjahrhaus vorerst ungenannt bleiben; was keineswegs heißen soll, dass sie dich nicht weiter unterstützen. Ach übrigens, Fatima ist in der Stadt. Sie meinte, ihr Rat könnte vielleicht noch von Nutzen sein.«
Asfahan hieb dem Hünen auf die Schulter und lachte. »Ein Sprichwort der Teguar sagt: ›Steigst du auf einen guten Baum, schiebt dich vielleicht jemand hoch.‹«
Der Nubier runzelte die
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