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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und Gauner gingen hier ihren Geschäften nach. Kostbarer Schmuck, Delikatessen und andere edle Waren ließen sich hier ebenso finden wie billiger Tand, Viehfutter und aller möglicher Ramsch. Egal ob teuer oder preiswert, schon um des Prinzips willen wurde hier um jedes Ding gefeilscht. In dem Gassenlabyrinth hallten sechs Tage die Woche, das ganze Jahr hindurch die Stimmen der Händler und Kunden wider. Der Basar war nichts für schwache Nerven.
    Topra irrte eine Weile zwischen den Ständen und Läden umher. Er war in seiner eigenen Geburtsstadt ein Fremder. Bis er sich endlich zu Mustafas Eisenwarengeschäft durchgefragt hatte, verging fast eine Stunde. Zuvor war er von der Anlegestelle auf Umwegen zum Basar gefahren, stets seinen Sinn befragend, ob andere Spione in der Nähe weilten. Dabei machte er eine deprimierende Erfahrung: Der Amjib war allgegenwärtig. Weil die meisten Geheimpolizisten indes nur routinemäßig nach auffälligen oder zur Fahndung ausgeschriebenen Personen Ausschau hielten – will heißen, mit der traditionellen Oberflächlichkeit –, gelang es Topra einigermaßen leicht, ihnen auszuweichen und schließlich sein Ziel zu erreichen.
    Mustafa warb auf dem Straßenpflaster mit Aluminiumkochtöpfen, Dattelentkernern, Kneifzangen und Mausefallen für sein vielfältiges Produktangebot. Neben dem Eingang stand ein Regal mit kleinen Automobilen und Flugzeugen, die aus Getränkedosen hergestellt waren. Topra ließ es links liegen und betrat den Laden, der sich, schmal wie ein Schlauch, in unergründlicher Dunkelheit verlor und zunächst nur durch einen höchst eigenwilligen Geruch auffiel – vermutlich hatte hier erst kürzlich jemand Maschinenöl mit baqatischem Honig vermengt. Nach einer gewissen Zeit hatten sich die Augen des Besuchers an das Zwielicht gewöhnt und er bestaunte ausgiebig das ihn umgebende Chaos. Von der Decke baumelten Kochgeschirr und allerlei Werkzeug. An den Wänden bogen sich Regale unter der Last von bisweilen obskuren Gegenständen, deren Zweck Topra nicht einmal erahnte. Alles war von einer mehr oder minder dicken Staubschicht bedeckt. Auf dem Boden stapelten sich Kisten und reihten sich Fässer sowie weitere Regale. Irgendwie hatte ein kleiner schwarzer struppiger Hund in dem Durcheinander noch einen freien Platz gefunden, den er nun laut kläffend verteidigte.
    »Halt die Schnauze, Uräus. Friede sei mit Euch!«, rief unvermittelt eine knarrige Stimme aus den Tiefen des dämmrigen Schlauches.
    Nur aus dem Zusammenhang konnte Topra schließen, dass die beiden schnell hintereinander herausgeschrienen Botschaften für unterschiedliche Adressaten bestimmt waren. Er reckte den Hals, versuchte das Chaos in übersichtlichere Teilabschnitte zu zerlegen, entdeckte – endlich – hinter einem Stapel grau emaillierter Einmachtöpfe ein rundes Gesicht und erwiderte: »Friede auch Ihnen.« Dann deutete er auf den winzigen Köter, der jetzt nur noch knurrte. »Heißt der Zwerg tatsächlich Uräus?«
    Der Ladenbesitzer kicherte. »Ja, ja. Genauso wie die gefürchtete Kobra an der Krone des Pharaos. Mein kleiner Uräus kann auch ganz schön giftig sein.«
    Argwöhnisch musterte Topra das knurrende Fellbündel. »Das glaube ich.«
    »Was führt einen Höfling in mein bescheidenes Geschäft?«
    Topra registrierte in der schnarrenden Stimme des Hundehalters einen spöttischen Ton und griff sich unwillkürlich an den Sklavenring. Wenigstens hatte ihn der Mann nicht eine Hofschranze genannt. Er umrundete die Einmachtöpfe und gelangte so zu einem abgeschabten Holztresen, hinter dem sich der Eisenwarenhändler verschanzt hatte. Dessen Gesicht war freundlich, wenngleich echte Herzlichkeit wohl weniger verkrampft ausgesehen hätte. Während er den Kunden musterte, zuckten hin und wieder seine buschigen Augenbrauen. Ein gewaltiger Schnurrbart verlieh ihm das Aussehen eines Walrosses, obwohl sein roter Hut nicht ganz zu dieser Assoziation passen wollte – wäre er nicht aus Filz gewesen, hätte er gut aus dem Topfsortiment unter der Decke stammen können. Soweit das Zwielicht diesen Schluss zuließ, trug der Ladenbesitzer ein naturfarbenes Hemd aus feinem baqatischem Leinen und darüber eine schwarze Weste.
    »Sind Sie Mustafa?«, fragte Topra.
    »Das steht auf dem Schild über meinem Laden«, erwiderte der Ladenbesitzer unverbindlich.
    »Ich suche einen Freund.«
    »Wer tut das nicht in diesen Zeiten? Ist er aus Eisen?«
    »Nein.«
    »Dann kann ich Euch nicht helfen.«
    Topra besann sich auf

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