Die unsichtbare Pyramide
Richter der Badda, die allerdings zu bequem für diese vielen Titel sind und mich meistens nur ›Chef‹ nennen. Was Eure zweite Frage anbelangt: Ich heiße Euch ›Empfänger‹, weil Ihr, wie es die Weissagung verheißt, die Gabe empfangen habt.«
»Eine Weissagung? Wollt Ihr damit andeuten, irgendein Prophet hätte mein Kommen angekündigt?« Trevir fühlte sich unwohl in seiner Haut. Auch Aluuin hatte ihn einen Empfänger genannt. Waren diese merkwürdigen Wichte etwa in das alte Wissen eingeweiht? Dieser Ceobba konnte einem Angst einjagen.
Trevir befahl sich Gelassenheit. Ohne die Drohgebärden seiner Artgenossen wirkte der Badda doch gar nicht so gefährlich und abstoßend, sondern eher kauzig. Seine riesigen Augen mussten wie geschaffen sein für ein Leben in der Finsternis. Offenbar verließen er und seine Mitgenossen nur bei Nacht die Ruinen. Fast kam es Trevir so vor, als seien sie geradewegs aus dem Reich der Sagen und Legenden aufgestiegen, wobei nicht ganz schlüssig war, ob sie zu den Zwergen, Gnomen, Trollen oder zu einer anderen, bisher unbekannten Spezies gehörten. Die Badda – war das lediglich der Name einer Sippe oder die Bezeichnung einer ganzen Art?
Ceobba verneigte sich erneut, was ihm sichtlich Mühe bereitete. Er schien nicht mehr ganz jung zu sein. »Verzeiht unsere Unhöflichkeit, ehrenwerter Empfänger. Ihr seht müde aus. Lasst uns zunächst etwas für Euer Wohlbefinden tun. Dann werden wir Euch Eure Fragen beantworten.«
Trevir bewegte seinen Mund dicht an Dwinas Ohr und flüsterte: »Das könnte eine Falle sein. Was denkst du?«
»Er ist ganz niedlich.«
Überrascht hob er die Augenbrauen. »Du änderst deine Meinung aber schnell. Ich finde, sie sehen wie ziemlich verunstaltete Menschen aus.«
»Aber niedlich. Vorhin war ich erschrocken. Sie haben uns ihre Klauen gezeigt und die Zähne gefletscht wie hungrige Raubtiere. Schau nur, wie freundlich und neugierig sie uns jetzt mustern. Wenn du mich fragst, ist die Ehrfurcht dieses Ceobba echt. Wir sollten ihm und seinen Leuten die Gelegenheit geben, ihre Aufrichtigkeit zu beweisen.«
Trevir nickte. Aluuin hatte ihn gelehrt, Menschen nicht nach ihrem äußeren Schein zu beurteilen. Für die Badda musste das wohl auch gelten. Der Empfänger gab seinem Gesicht eine freundliche Note, richtete sich zu voller Größe auf und antwortete dem Oberhaupt der Gnome: »Ich danke Euch für Eure Einladung. Wir nehmen sie gerne an.«
Ceobba nickte würdevoll und trat gemessenen Schrittes auf die beiden Menschen zu. Dabei glitzerte und wallte sein Umhang, als bestehe er aus verwobenem Sternenlicht. Dwina drückte sich, wegen der Nähe des Baddachefs nun doch ein wenig bange, noch fester an Trevirs Brust. Ceobba hob den Arm und hielt dem Paar seine langfingrige Rechte entgegen. »Verzeiht, wenn ich Euch damit zu nahe treten sollte, aber Ihr werdet in unserem Teil Londinors gewisse Mühe haben, Eure Schritte sicher zu lenken. Nehmt bitte meine Hand, damit ich Euch führen kann.«
Trevir zögerte. Ceobba verlangte nicht weniger von ihnen als blindes Vertrauen. Aber hatte Aluuin nicht auch gesagt, nur wer im Fremden den Freund zu erkennen vermag, werde durch neue Einsichten bereichert? Trevir holte tief Luft und wollte gerade Dwina freigeben, um dem Baddaführer die Hand zu reichen, als er doch noch einmal innehielt.
»Erlaubt mir bitte, etwas richtig zu stellen.«
»Verzeiht, wenn ich Euch irgendwie gekränkt habe, ehrenwerter Empfänger«, antwortete Ceobba besorgt.
»Nein, das habt Ihr nicht. Es wäre mir nur lieb, wenn Ihr mich bei meinem Namen nennt. Ich heiße Trevir und meine Gefährtin hier ist Dwina.«
»Verzeiht, aber es fällt mir nicht leicht, den so lange verheißenen Empfänger…«
»Bitte, Ceobba! Und dann noch etwas: Hört endlich auf, Euch pausenlos bei mir zu entschuldigen.«
Die Badda geleiteten ihre Gäste zum Eingang einer nahen Ruine und von dort eine schmale Treppe hinab in ein unterirdisches Kellergewölbe. Hier klaffte ein großes, unregelmäßig geformtes Loch im Boden, das schräg in die Tiefe führte. Zu Trevirs Überraschung musste er nicht gänzlich blind durch die Dunkelheit tappen, denn von Ceobbas Glitzermantel ging ein schwaches grünliches Licht aus, das in der Dämmerung draußen nicht zu erkennen gewesen war. Auch die übrigen Badda zogen unter ihren engen Anzügen solche hauchfeinen, schimmernden Umhänge hervor, wodurch sich mancher Buckel und Bauch als künstliches Körperteil entpuppte. Für ihre
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