Die unsichtbare Pyramide
der Name könnte ein böses Omen für das Neugeborene sein?«
Es war Ibah-Ahiti, die dem General anstelle ihres Mannes antwortete. »Wir legen unserem Sohn mit dem Namen das in die Wiege, was er am dringendsten brauchen wird: Fülle an Macht über alle seine Widersacher.«
Isfet ergriff ihre feingliedrige Hand. »Deine Wahl ist weise, meine Geliebte, und ich will deinem Wunsch entsprechen. Du hast die Spötter zum Schweigen gebracht, die dir Unfruchtbarkeit unterstellten und nach einer neuen Kaiserin verlangten. Von diesem Tage an wird niemand mehr deine Stellung an meiner Seite infrage stellen. Mit Aabuwa, unserem Sohn, werden wir eine Dreiheit von Göttern bilden wie die Heilige Triade aus Osiris, Isis und dem Horus-Kind.«
»Sofern sich nicht andere zwischen uns drängen«, erwiderte Ibah-Ahiti nach einer wohlbemessenen Pause.
»Was willst du damit andeuten?«
»Mir brauchst du nichts vorzumachen, Isfet. Deine Lieblingsbuhle wird in dieser Nacht niederkommen. Ich kenne die Ergebnisse ihrer Fruchtwasseruntersuchung: Auch sie bringt einen Sohn zur Welt. Was, wenn dir das Blag besser gefällt als Aabuwa?«
»Was redest du da!«, gab Isfet entrüstet zurück. »Gisa ist eine Konkubine. Kein illegitimer Sohn hat je den Thron von Baqat bestiegen.«
»Das stimmt nicht ganz. Pharao Rahotep wurde von einer Wäscherin geboren, die sein Vater schwängerte. Und weil der – wie übrigens auch du, mein Gebieter – bisher nur Mädchen gezeugt hatte, erhob er den Knaben in den Stand eines legitimen Sohnes. Kannst du es wirklich nicht nachvollziehen, dass ich in Gisas Kind einen gefährlichen Rivalen für mein eigen Fleisch und Blut sehe?«
Isfet stand da, als habe er einen Türpfosten verschluckt. »Was meine Töchter anbelangt, warst du es doch wohl, die dafür sorgte, dass bisher keine meiner Konkubinen einen Sohn zur Welt bringen konnte. Das musste ein Ende haben, schon weil im Volk das Wort vom Kindermörder die Runde machte…«
»Als wenn du dich je um solche Gerüchte geschert hättest!«
»Heute sollte dein glücklichster Tag sein, Ibah-Ahiti – du hast Baqat einen Thronfolger geschenkt. Niemand ist dir dafür dankbarer als ich.«
»Dann beweise es.«
»Wie…?«
»Erfülle mir einen Wunsch.«
»Was immer du willst, meine Geliebte. Bis zur Hälfte meines Reiches werde ich dir…«
»Behalte das Reich. Stattdessen bringe mir Gisas Kind auf einem silbernen Tablett – du weißt, was ich meine.«
»Ich soll…« Isfet besaß fürwahr den Ruf, alles andere als zimperlich zu sein. Doch jetzt stockte selbst ihm der Atem.
»Also meinetwegen«, lenkte Ibah-Ahiti scheinbar ein, »die Servierplatte kannst du weglassen.«
Im Kreißsaal herrschte Eiseskälte, jedenfalls kam es dem Pharao und seinem General so vor. Isfets Kiefer mahlten. Er pflegte seine Entscheidungen stets mit Bedacht zu treffen, weil jedes seiner Worte umgehend zum Gesetz wurde. Wie würde das Volk reagieren, wenn er einen solchen Befehl gab? Schließlich erwiderte er: »Tu in der Sache so, wie du es vor deinem Gewissen verantworten kannst.«
Damit reichte er Waris das Kind und stapfte aus dem Kreißsaal. Nefermaat drückte die Stopptaste an seinem Digitalrekorder, warf noch einen raschen Blick auf sein Stenogramm und nickte zufrieden. Sodann eilte er seinem Gesetzesgeber hinterher. Zurück blieben der Oberste der Leibwache und die Gemahlin des Pharaos.
Der Soldat trat an das Bett der Kaiserin. An seinem Gesicht war nicht abzulesen, was er empfand, als er den schlafenden Jungen seiner Mutter an die Brust legte und die Wange des Knaben streichelte. Nur Waris’ feuchte Augen glänzten auffällig im kalten Licht des Operationssaales.
Ein triumphierendes Lächeln schlich sich auf Ibah-Ahitis erschöpftes Gesicht. »Als ich dir vorhin den Befehl erteilte, dich um Gisa und ihr Kind zu kümmern, hast du das für Hochverrat gehalten, nicht wahr, mein stolzer General? Jetzt habe ich, wie versprochen, das Wort des Pharaos. Ich kann mit allen Aufrührern nach eigenem Ermessen verfahren.«
»Ihr solltet mich besser nicht in diesem vertrauten Ton ansprechen, Herrin. Es könnte zu Missverständnissen führen«, flüsterte Waris.
Ibah-Ahiti nickte und ließ ihre Augen zur Decke wandern. Über dem Gebärstuhl hing eine außen verspiegelte gläserne Halbkugel. Darunter befand sich, wie jeder hier wusste, eine Kamera. Offiziell wurden damit Aufzeichnungen für Medizinstudenten angefertigt. »Er würde es nicht wagen«, murmelte sie, verfiel dann aber doch
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