Die unsichtbare Pyramide
theoretisch an jedem Ort von Anx aufgespürt und im Bedarfsfall »ausgeschaltet« werden. Letzteres geschah durch einen im Halsband befindlichen Sprengsatz.
»Alle Welt glaubt, sie seien perfekt, weil – niemand weiß das besser als Ihr, Herrin – die Propaganda Eures Gemahls nicht müde wird, die Zuverlässigkeit der Bünde zu preisen. In der Praxis machen sie aber immer mal wieder Schwierigkeiten. Gelegentlich reißen sie ihrem Träger unkontrolliert den Kopf ab. Oder sie verschwinden von den Schirmen der Überwachungszentrale.«
»Das…« Ibah-Ahiti stockte, weil ein starkes Ziehen im Unterleib ihr schier den Atem raubte. Als der Schmerz nachließ, setzte sie erneut an. »So etwas kann passieren?«
»Wenn der Bund-Träger sich tief unter der Erde befindet oder in einem mit Blei ausgekleideten Raum, wird er für das Kontrollamt unsichtbar.«
»Vielleicht hat sich Gisa den Sklavenring abnehmen lassen.«
»Eher unwahrscheinlich. Der Versuch würde ihr und ihrem Helfer das Leben kosten.«
»Dann sucht sie meinetwegen in Luftschutzkellern, Höhlen und Tiefgaragen. Irgendwo muss sie doch sein! Ihr selbst habt mir zugetragen, dass bei Gisa die Wehen schon drei Stunden früher eingesetzt haben als bei mir. Sie könnte das Rennen um das Erstgeburtsrecht gewinnen, zumindest wenn der Pharao ihr Balg als legitimen Nachkommen anerkennen würde. Ich will meinem Sohn jedes Gerangel um die Erbfolge ersparen. Niemand – hörst du, Waris? –, niemand wird ihm den Thron von Baqat streitig machen!«
»Ihr habt das Recht auf Eurer Seite, Herrin. Gisas Sohn ist ein Bastard und der Eure Isfets einzig rechtmäßiger Erbe.«
»Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, mein Lieber?«
Die Ärzte und Geburtshelferinnen hatten sich während des Gesprächs unbeteiligt gegeben; jetzt verharrten sie mitten in ihren unterschiedlichen Verrichtungen. Waris wurde ausgesprochen blass. Er fragte sich, wie eine Frau, die in den Wehen lag, derart lüsterne Blicke verschießen konnte. Genauso hatte sie ihn schon einmal angesehen, in jener Nacht vor neun Monaten… Ibah-Ahitis keuchende Stimme riss ihn aus seinen zwiespältigen Erinnerungen.
»Ich will damit sagen: Das Kaiserhaus muss sich tagtäglich gegen alle möglichen Gerüchte wehren. Jahrelang munkelte man dies und das: Ich könne keine Kinder bekommen, die Götter hätten uns mit einem Fluch belegt, neuerdings soll der Pharao unfruchtbar sein – Ihr kennt dieses ganze Gerede. Und nun schenke ich ihm plötzlich einen Sohn. Selbst der Amjib kann nicht alle böse Zungen abschneiden.«
»Die Geheimpolizei?«, schnaubte Waris verächtlich. »Gebt ihnen einen Vorschlaghammer und sie hauen Euch einen prächtigen Quader aus dem Fels, aber beauftragt sie nie mit einer komplizierten Aufgabe wie dieser. Zum Glück habe ich einen eigenen Ring von Vertrauten, die mir im Reich als Ohren und Augen dienen. Ich hege da so einen Verdacht, was Gisas Versteck betrifft. Meine Leute sind schon unterwegs zum Hohepriester. Mir scheint, er kann uns in dieser Angelegenheit behilflich sein. Wohin soll ich die Konkubine und ihr Kind bringen lassen?«
»Sucht ihr ein warmes Plätzchen, wo sie in Ruhe vermodern kann.«
»Und… das Neugeborene?«
»Sollte es die Anstrengungen der Geburt nicht überleben, würde ich kaum vor Trauer zerfließen.«
»Gebt Ihr mir etwa den Befehl, das Kind…?«
»Ihr habt genau verstanden, was ich gesagt habe, Waris.«
»Aber der Pharao…!«
»Isfet wird mir keinen Wunsch abschlagen, wenn er sich erst als stolzer Vater sieht und seinen Thronfolger in den Armen hält.
Und jetzt lasst Euch von mir in Eurer Pflichterfüllung nicht länger aufhalten, General. Geht! Ich werde mir inzwischen die Zeit vertreiben und einem Pharao das Leben schenken.«
Die Hand des Leibgardisten wollte zu Ibah-Ahitis Wange wandern, aber er besann sich schnell der vielen verstohlenen Blicke, die auf ihm lagen. Mit tiefer und fester Stimme entgegnete er: »Möge die Heilige Triade über Euch und dieses Mammisi wachen, Herrin.«
»Das wird sie, mein lieber Waris. Ich harre Eures Berichts.«
Der Oberste der Leibwache verließ den Kreißsaal. Als die Tür hinter ihm wieder in Ruheposition gependelt war, wandte sich die Kaiserin dem Chefarzt der Entbindungsstation zu. »Wir haben lange genug mit den Wehen herumgetrödelt, Doktor Schepseskaf. Holt meinen Sohn!«
»Aber Majestät!«, stammelte der Arzt. »Eure Chancen stehen gut, das Kind ganz normal zur Welt…«
»Keine Widerrede, Doktor«,
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