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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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beobachtet. Auch auf dem Dach der Britannischen Bibliothek kauerten manchmal stundenlang Gestalten, reglos wie Steinfiguren, und blickten auf das Geschehen rings um die Gebäude sowie im Innenhof hinab. So mancher Soldat verspürte einen Schauer, wenn er sich voller Zweifel fragte, ob er auf diesem Vorsprung oder jenem Erker nicht eben noch eine hässliche Skulptur gesehen hatte, die nun verschwunden war.
    Ceobbas Kundschafter bestätigten, was Trevir schon befürchtet hatte. Die Britannische Bibliothek befand sich in einer Art Belagerungszustand. Alle Türen und Fenster wurden pausenlos überwacht. Es war unmöglich, sich noch einmal in die Rotunde des Wissens zu schleichen, um die von Abacuck aufgezählten Bücher zu holen.
    Gleichzeitig erweiterten die Krieger ihren Suchradius von Tag zu Tag. Offenbar vermutete man Trevirs Unterschlupf in irgendeiner Ruine. Von der Stadt unter der Stadt schien niemand etwas zu ahnen. Mehr als eine Woche lang. An einem frühen Morgen, der für die Stadt droben die Zeit der Abenddämmerung war, hörten Trevir und Dwina den Alarm.
    Es klang wie der Laut eines Widderhorns, das jemand in weiter Ferne blies. Kurz darauf stürmte Kitta in das Studierzimmer.
    »Verzeiht, wenn ich Euch störe, aber Ceobba bittet Euch in den Ratssaal.«
    Trevir blickte dem Baddamädchen fest in die Augen. »Was hat das Blasen des Horns zu bedeuten, Kitta?«
    »Bitte entschuldigt, aber ich bin nur eine Dienerin und…«
    »Vergib mir, wenn ich so hartnäckig bin, Kitta, aber wir beide haben uns bereits über diesen Moment unterhalten, nicht wahr? Das Schwarze Heer hat die Grenze zu eurem Reich übertreten. Habe ich Recht?«
    Erst nickte die Badda, dann schniefte sie leise. »Die Krieger sind ganz in der Nähe eingedrungen, als hätte ihnen jemand verraten, wo der Palast verborgen ist.«
    »Sie wissen es, weil er mich spüren kann«, flüsterte Trevir mit glasigem Blick.
    »Was sagst du?«, fragte Dwina.
    Er schüttelte den Kopf. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Geh du schon voraus zum Ratssaal. Ich muss noch etwas erledigen und komme später nach.«
    Ihre Blicke kreuzten sich für einen langen Moment. Trevir entdeckte Furcht in Dwinas Augen, aber auch einen Anflug von Zweifel. »Geh schon! Die Zeit wird knapp«, drängte er.
    Sie drückte seine Hand und verließ den Raum.
    Er nahm das Buch der Balance und wickelte es in seinen extragroßen Glitzerumhang ein. Dann wandte er sich Kitta zu. »Du weißt, worum ich dich bitten muss?«
    Die Baddafrau nickte traurig.
    Trevir förderte aus der Gesäßtasche seiner grauschwarzen Hose ein zusammengefaltetes Blatt Papier zutage und reichte es Kitta. »Das ist ein Brief. Bitte gib ihn Dwina. Ich hoffe, sie kann mir verzeihen.«
    Die Dienerin steckte den Zettel mit ernster Miene ein und ergriff Trevirs Hand.
    Ungesehen verließen sie den Palast durch einen Nebentunnel. Kitta führte ihren Schutzbefohlenen über selten benutzte Pfade. Je länger sie durch die Schächte schlichen, desto ferner klang das Blasen des Alarms. Fast die ganze Strecke liefen sie schweigend durch die Dunkelheit. Nur einmal sprach Trevir aus, was ihn bewegte.
    »Hoffentlich folgt Wulf meiner Spur. Nur so kann ich ihn von euren Tunneln ablenken. Vielleicht zieht Molog das Schwarze Heer dann aus dem Reich der Badda ab.«
    Kitta klang erstaunlich unbesorgt. »Seine Krieger haben bis jetzt nur die äußeren Hallen des Eisenweges gefunden und kämpfen dort gerade gegen Flammen an. Die Wege in die beiden tiefer liegenden Ebenen werden, wie ich hörte, gerade verschlossen. Den Angreifern dürfte es schwer fallen, weiter nach Unterlondinor vorzudringen, wenn ihr zweibeiniger Wolf keiner Witterung mehr folgen kann. Außerdem haben unsere Vorväter einige Schutzvorkehrungen geschaffen, die Mologs Kriegern das Fürchten lehren werden.«
    Ein wenig beruhigter folgte Trevir seiner Führerin weiter durch die engen Tunnel unter der Verbotenen Stadt.
    Nach mehr als einer Stunde tauchte vor ihnen ein fahles Licht auf. Der Ausgang lag versteckt an einer Uferböschung. Trevir erblickte einen breiten Strom. Kitta deutete zum Wasser.
    »Das da ist der Fluss Thames, jedenfalls nannte man ihn früher so. Da unten habe ich einen Kahn versteckt, der Euch stromabwärts tragen wird. Es war nicht ganz leicht, ihn hierher zu schaffen. Verzeiht, dass ich Euch kein größeres Boot anbieten kann, aber unsere unterirdischen Kanäle sind schmal und…«
    »Schon gut«, unterbrach Trevir sie und ergriff ihre langen schmalen

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