Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Leib«, befahl der Prinz.
    Die Leibgardisten zögerten.
    »Benutzt von mir aus eure Kampfmesser, aber tut endlich, was ich euch sage!«, bellte Aabuwa.
    Ehe Topra reagieren konnte, hatte ihm der hünenhafte Leibgardist schon die Jacke vom Gesäß bis zum Hals aufgeschlitzt.
    Genauso rasch wurde sein Hemd zerteilt. Unter dem staunenden Gemurmel des Publikums riss und schnitt man ihm die Fetzen vom Leib. Alles, was der so Gedemütigte tun konnte, war den explosiven Reif mit der Kraft seines Geistes festzuhalten.
    »Dreht ihn um!«, forderte Aabuwa.
    Kräftige Hände befolgten die Anweisung. Topra konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie sich Ibah-Ahiti erhob, um das Geschehen von der Kante des Podests aus besser verfolgen zu können. Als sie das Feuermal auf seiner Schulter sah, fuhr ihre Hand zur Brust und sie schwankte einen Moment. Nur die Personen im näheren Umkreis konnten ihr erbostes Zischen vernehmen.
    »Die Schlampe ist nicht totzukriegen. Jetzt schickt sie aus dem Grab ihren Bastard zu mir.«
    Der Prinz war merklich weniger überrascht. Selbstgefällig kommentierte er für die Hochzeitsgesellschaft hinter Topras Rücken die neuesten Enthüllungen. »Können Sie es alle sehen, dieses gewundene Band? Es ist das Emblem des Großen Hauses. Dieser Sohn eines Sklavenhändlers hat es sich auf die Schulter tätowieren lassen, weil er sich für etwas Besonderes hält. Für einen zukünftigen Pharao! Dabei ist er nur ein Teguar. Ist das nicht amüsant?« Aabuwa lachte herausfordernd und die Gäste stimmten notgedrungen mit ein. Während noch schale Heiterkeit die zweihundertsechsundsiebzig Säulen der großen Halle umschwappte, brachte der Prinz seine Lippen nahe an Topras Ohr und raunte: »Das Muttermal hat dich verraten. Sollen wir dem Publikum sagen, wessen Sohn du wirklich bist, Topra?«
    Der Gefragte erschauderte im Klammergriff der Schergen. Mit einem Mal war alles klar. Er hatte die Warnsignale nicht sehen, die Aussichtslosigkeit seiner Maskerade nicht wahrhaben wollen. Der Palast hatte zu viele Ohren, um ein Geheimnis zu bewahren. Aabuwa und Ibah-Ahiti wussten Bescheid. Ob sie auch Hobnajs Plan ausspioniert hatten? Unwahrscheinlich, machte sich Topra klar, weil ihm selbst nur Bruchstücke der Operation bekannt waren. Er musste Zeit gewinnen, durfte sich nicht provozieren lassen. Im Moment war die Hochzeitsfeier nur gestört. Wenn die brenzlige Situation glimpflich beigelegt werden konnte, dann würde man mit der Zeremonie fortfahren, als wäre nichts geschehen, und die oft übertrieben wirkende Geheimniskrämerei des Nubiers konnte sich doch noch auszahlen, das Ende von Isfets Willkürherrschaft doch noch erreicht werden.
    Ein Sprichwort der Teguar sagte: Suche dir einen Fluchtweg, bevor du die Kobra verspottest. Topra drehte sich zum Prinzen um. »Wenn Ihr meine Mutter kennt, solltet Ihr auch wissen, wer mein Vater ist. In Euren Augen mag ich ein Bastard sein, doch die Mehrzahl Eurer Untertanen würde mich wohl eher Euren Bruder nennen. Schon jetzt regt sich Widerstand im Volk, weil viele nicht länger unter der Knute eines Tyrannen leben wollen. Wie, glaubt Ihr, würde es reagieren, wenn der Kronprinz als ein Brudermörder entlarvt würde, der um des Thrones willen den wahren Erstgeborenen Isfets heimtückisch umgebracht hat? Ich bin nicht der Sohn irgendeiner Buhle, Hoheit. Die Blume vom Nil ist eine Legende. Sie wird noch heute von vielen Menschen besungen, sogar außerhalb von Baqats Grenzen, wie ich im Exil erfahren habe. Wenn Ihr mich wirklich als Sohn Gisas vorstellen wollt, dann nur zu.«
    Aabuwas Mund stand offen. Ihm musste wohl in diesem Augenblick bewusst geworden sein, dass sein Schuss gegen den angeblichen Hochverräter nach hinten losgehen konnte. Er hatte den Menschen an den Fernsehapparaten ein neues und äußerst brisantes Gesprächsthema geliefert. Bald würde alle Welt fragen, wer dieser junge Mann mit dem Pyramidensymbol auf dem Schulterblatt war. Und jetzt bot ihm Topra auch noch in mediengerechter Lautstärke einen fast unanfechtbaren Ausweg aus diesem Dilemma an.
    »Könnt Ihr Euch nicht vorstellen, dass ein Leibgardist, der tagtäglich seinen Hals für die kaiserliche Familie riskiert, das Symbol des Großen Hauses aus Verehrung für den Pharao trägt?
    Sogar Eure Panzer und Kriegsschiffe sind damit geschmückt. Warum nicht auch Eure Soldaten? Wenn Ihr an meinen Absichten zweifelt, dann fragt meine Vorgesetzten. Sie können Euch bestätigen, dass ich schon zweimal Bomben gefunden habe,

Weitere Kostenlose Bücher