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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dass es wohl nicht nur den männlichen Betrachtern, sondern auch ihr den Atem raubte; von den Hüften an abwärts wogte der kostbare Stoff dafür umso großzügiger. Alles an ihr glänzte und wallte, abgesehen von ihrem Gesicht natürlich, dieses faltenfreie Meisterwerk bester baqatischer Chirurgenkunst. Mit geradezu verbissener Miene ließ die Kaiserin ihren Blick immerfort über die Gesichter der Hochzeitsgesellschaft wandern. Wen sucht sie?, fragte sich Topra und seine Augen wechselten zum Pharao. Isfet trug die dreifache Krone, bestehend aus der weißen Hedschet für Oberbaqat, der roten Deschret für Unterbaqat und der blauen Chepresch, die einst ein Kriegshelm war und ihn zur Unterwerfung aller übrigen Völker von Anx, vielleicht sogar des ganzen Drillingsuniversums legitimierte.
    Das Jubeln der Hochzeitsgesellschaft blies Topras kühnen Gedanken förmlich davon. Die Menschen gebärdeten sich, als seien Isfet und Ibah-Ahiti die Brautleute. Gemessenen Schrittes bewegte sich das Kaiserpaar durch ein Spalier von Leibgardisten. Hinter den beiden folgte in Begleitung seiner Gemahlin Großwesir Apophis, der höchste Beamte Baqats und zugleich Inukiths Vormund, weshalb er an diesem Tag in die Rolle des Brautvaters schlüpfen durfte. In gebührendem Abstand folgten weitere Würdenträger.
    Ibah-Ahitis umherschweifender Blick erstarrte jäh, als er am Ende des Spaliers auf Topra traf. Aus kalten Augen fixierte sie ihn wie eine Schlange das Kaninchen. Es war ein Moment des Erkennens, der ihn zutiefst erschütterte. Was ging der Kaiserin durch den Kopf? Inukith hatte ihm vor einiger Zeit von einem verstohlenen Gespräch zwischen dem Pharao und seinen Sohn berichtet. Die beiden wollten Ibah-Ahiti nicht mit irgendwelchen Komplikationen beunruhigen, damit sie den »Kandidaten nicht vor der Zeit töten lasse«. Lange hatte Topra gehofft, der Gegenstand ihrer Unterhaltung sei ein anderer gewesen, nicht ausgerechnet er. Aber nun zerstob diese Hoffnung unter den versteinernden Blicken der Kaiserin. Ginge es nach ihr, war seine Schonfrist zu Ende.
    Den übrigen Hochzeitsgästen mochte das seltsame Verhalten Ibah-Ahitis wie ein Augenblick der Irritation erscheinen, der schnell wieder vergessen war. Es gab an diesem Morgen Aufregenderes zu sehen als eine schlecht gelaunte Kaiserin.
    Vor dem Altar, auf der verlängerten Achse des Mittelgangs, standen zwei Sessel. Isfet und seine Gemahlin erklommen ein hohes, dreistufiges Podest, wo sie, rechts von den Götterfiguren, ihre Throne erwarteten. Ihnen gegenüber, also auf der weniger bevorrechteten linken Seite der Triade – und zwei Ebenen tiefer –, ließen sich der Großwesir und seine Gattin nieder. Das restliche Gefolge des Herrscherpaars verteilte sich auf die reservierten Plätze in den vorderen Sitzreihen.
    Das Fanfarengeschmetter erstarb und in der Halle trat gespannte Stille ein. Alsbald intonierte das Orchester des Millionenjahrhauses von einer Empore, hoch über den Köpfen der Gäste, sakrale Musik. Nach einigen Minuten betrat endlich Nefermaat, der Griffelhalter des Großen Hauses, den Saal. Auf seinen ausgebreiteten Händen hielt er ein dunkelblaues Samtkissen, auf dem die schweren goldenen Trauringe der Brautleute lagen, nach baqatischer Tradition das am rechten Arm zu tragende Zeichen ihrer ewigen, selbst im Totenreich fortdauernden Verbindung. Die mit kostbaren Juwelen besetzten Schmuckstücke waren zuvor von einem Priester in eigens zu diesem Zweck herbeigeschafftem Wasser aus der Quelle des Blauen Nils rituell gereinigt worden; auch das gehörte zum Brauchtum. Der höchste Schriftführer des Reiches durchmaß die Halle inmitten einer Eskorte aus barbrüstigen Palastwächtern. Die fünfzehn, mit speerförmigen Lichtkanonen bewaffneten Leibgardisten bildeten ein Dreieck, dessen Spitze zum Altartisch zeigte.
    In Topra brannte ein Feuerwerk von Gefühlen ab. Der kleinere der beiden Ehereife auf dem Kissen verwandelte sich in seiner Vorstellung zu einem Sklavenring. Inukith würde ihn wider besseres Wissen anlegen, um denjenigen, dem ihr Herz gehörte, vor Aabuwas Eifersucht zu schützen. Aber das ist töricht!, schrie es empört in Topra, während sein Verstand für Inukith Stellung bezog und ihm klar zu machen versuchte, dass auch er einen Sklavenring trug, um der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen – oder dem, was er dafür hielt. Aber seine aufgewühlten Emotionen wollten dieser Argumentation nicht folgen…
    Zumal Inukiths goldener Ehereif ebenfalls eine Bombe

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