Die unsichtbare Pyramide
schnell ihrer Kleider entledigte. Sodann schmiegte sie sich hüllenlos an ihren Mann und griff unter sein enges Baddagewand. Trevir stockte der Atem. Eine wohlige Hitze durchbrandete seinen Körper. Dwinas Hand zog sich jedoch sehr schnell wieder zurück. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie Das Buch der Balance, Sie musterte es unwillig und warf es achtlos aufs Bett. Sodann ging sie wieder auf Schmusekurs.
»Schon besser«, schnurrte sie.
In Trevirs Körper schien gerade ein Feuerwerk abzubrennen. Unbeholfen legte er seine Hände um Dwinas warmen Leib.
Sie schmiegte sich – obwohl ihm dies kaum mehr möglich schien – noch enger an ihn und lächelte zu ihm herauf. »Wie fühlt sich das an?«
»Äh… Gut.«
»Mehr nicht?«
»Es ist das Schönste, was ich je gespürt habe.«
»Mir geht es genauso. Hast du Angst?«
»Ich bin ein bisschen… unerfahren.«
Sie kicherte. »Noch eine Gemeinsamkeit! Hättest du Lust, mit mir ein paar Erfahrungen zu sammeln?«
»J-ja, schon…«
»Oder hast du gerade etwas Besseres vor?«
»Nein!«
»Soll ich dir beim Ausziehen helfen?«
»Nicht nötig.« Er zerrte an seinem Ärmel, der sich zwar als ungemein elastisch, aber wenig kooperativ erwies. »Ich bin ein bisschen ungeschickt.«
»Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich so liebe, Trevir.« Dwina stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn lang und leidenschaftlich. Er staunte ein wenig, wo überall seine Hände waren. Plötzlich spürte er, wie Dwinas wundersamer, warmer, weicher Körper sich in seinen Armen versteifte. Hatte er etwas falsch gemacht? Ihm war zu Ohren gekommen, dass Frauen in solchen Momenten sehr empfindsam sein konnten.
»Bin ich zu grob gewesen?«, fragte er bang. Er musste den Kopf weit in den Nacken legen, um ihr ins Gesicht zu sehen, denn eben noch hatte ihr heißer Atem in seinem Ohr gekitzelt, jetzt blickte sie starr über seine Schulter.
»Nein«, erwiderte sie und es klang ein wenig schroff.
»Aber was stimmt denn nicht?«
Sie deutete zu einem Winkel unter der Decke, in dem ein kleiner schwarzer Fleck hing. »Ich möchte diese Nacht ganz mit dir allein verbringen. Orrik fliegt raus!«
Niemals hätte sich Trevir erträumt, dass der tagelange Aufenthalt fernab vom Sonnenlicht so aufregend und kurzweilig sein könnte. Sein »Lämmchen« machte es ihm nicht leicht, sich auf seine Studien zu konzentrieren. Hin und wieder schneiten zwar Kitta, Dambaragh, Ceobba oder andere Badda herein, aber Dwina gelang es stets, die Besucher nach kurzer Zeit wieder hinauszukomplimentieren. Sie wollte ihren Mann allein verwöhnen und sich von ihm verwöhnen lassen.
Wenn in Oberlondinor der Tag anbrach, pflegten die Badda zu ruhen. Trevir und Dwina brauchten meist etwas länger, um in den Schlaf zu finden. Und wenn die Müdigkeit sie dann endlich übermannte, waren sie meist eng umschlungen und erschöpft vom Erfahrungsammeln. Sobald über der Kuppel von Saint Dryden’s Temple jedoch die Sonne unterging, vertieften sie sich wieder in Das Buch der Balance und die dreiundzwanzig anderen Wälzer, die Trevir in der Rotunde des Wissens erbeutet hatte. Weniger Verständnis zeigte Dwina, wenn ihr Gemahl sich mit Orrik beschäftigte. Trevir fragte sich ernsthaft, ob sie auf die Fledermaus eifersüchtig war. Wenn er mit seinem kleinen Freund neue Kunststücke übe, dann aus sehr gewichtigem Grund, machte er seiner jungen Frau klar. Dwina ließ sich meist sehr rasch besänftigen.
Bereits wenige Stunden nach ihrer Hochzeitsnacht hatten sie in Begleitung des alten Dambaragh den Aufstieg in den Saint Dryden’s Temple gewagt. Es war ein wolkenloser Sommertag. Die Sonne sandte ihre Strahlen durch die halb zerstörte Kuppel.
»Ich möchte etwas ausprobieren«, verkündete Trevir, schob Dwina unter die Mitte des gewölbten Daches und bat sie, die Arme angewinkelt zu halten, Handflächen nach oben, so als wolle sie ein Tablett tragen. Anschließend machte er eine Kehrtwendung und zählte fünfzig Schritte ab. Wieder drehte er sich um, blickte konzentriert in Dwinas Richtung, legte die Hand auf die Brust, genau dorthin, wo unter seinem Gewand Abacucks Buch verstaut war, und versuchte es zu Dwina zu versetzen.
Das Experiment schlug fehl, was ihn keineswegs enttäuschte. Ceobba hatte ja für diesen speziellen Ort genau diese Wirkung vorausgesagt. »Jetzt tauschen wir die Plätze«, sagte Trevir leise. Nachdem sie sich wieder gegenüberstanden, wiederholte er von
Weitere Kostenlose Bücher