Die unsichtbare Pyramide
wir nur verlieren.«
»Wulf ist verschlagen und brutal. Ich habe Angst, er könnte dich töten.«
»Ich auch, Dwina.«
»Glaubst du wirklich, deine Drillingsbrüder können uns helfen?«
»Aluuin hat mir einmal von den Hütern des Gleichgewichts in den drei Welten erzählt. Er sagte: ›Nur wenn sie in der Not zusammenfinden und zusammen wirken, können sie ihre Aufgabe erfüllen.‹ Das ist es, was mir Mut gibt.«
»Aber du hast die Gesichter aus der Holzschale nicht wiedergesehen.«
»Während der fünften Welle hätte mich Wulf fast erwischt. Ich war abgelenkt. Vielleicht ging es meinen Brüdern ähnlich.«
»Kannst du nicht jetzt versuchen, sie zu rufen?«
»Das probiere ich schon seit einer Woche. Ohne Erfolg.«
Dwina legte ihren Kopf auf Trevirs Brust und schwieg. Er streichelte gedankenvoll ihr weiches Haar. Ab und zu hörte er sie leise schluchzen. Erst nach einer ganzen Weile sagte sie: »Dein Herz ist stark, Trevir, ich kann es hören und fühlen. Ich erlaube ihm nicht stillzustehen, verstehst du, denn ich will es noch lange hören!«
»Sie kommen!« Der Ruf hallte durch den Tunnel bis in Dambaraghs Höhlenflucht, noch bevor der kleine Badda sie erreicht hatte. Über Saint Dryden’s Temple war längst der Mond aufgegangen. Er zeigte sich nur zur Hälfte, als wolle selbst er keine Prognose wagen, ob der Nacht ein heller Morgen oder ewige Dunkelheit folgen würde. Trevir und Dwina waren sofort auf den Beinen und empfingen den Kundschafter vor der Tür.
»Ist Molog dabei?«, fragte der Hüter.
»Ja, und Wulf ebenfalls. Ich habe gesehen, wie sie sich dem Hauptportal nähern. Vielleicht sind sie inzwischen auch schon im Tempel. In großer Eile scheinen sie nicht gewesen zu sein.«
Trevirs Blick glitt zu seinen Händen hinab. Nicht der geringste Schimmer war zu sehen. »Wir haben noch ein wenig Zeit. Ist schon jemand zu Ceobba unterwegs?«
Der Badda nickte. »Der Chef und die anderen werden gerade alarmiert.«
»Ich danke dir, Freund. Begib dich jetzt zurück auf deinen Posten. Dwina und ich kommen gleich nach.«
Der Kundschafter wollte sich gerade zum Gehen wenden, als er noch einmal verharrte. »Noch etwas, ehrenwerter Empfänger.«
»Ja?«
»Kurz vor Sonnenuntergang hat es ein Gewitter gegeben. Auf den Steinplatten unter der Kuppel stehen mehrere Wasserlachen. Ihr müsst Euch vorsehen. Es könnte glatt sein.«
Trevir entließ den Badda mit einem weiteren Wort des Dankes und schärfte seiner Frau anschließend ein, dass sie in dem verabredeten Versteck bleiben und sich nicht einmischen sollte. Dwina wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und erwiderte grimmig: »Ich werde nicht zulassen, dass sie dir etwas antun.«
»Dwina! Wir haben keine Zeit mehr, um das alles noch einmal durchzukauen. Halte dich im Hintergrund, hörst du?«
Sie reagierte nicht.
»Ob du mich verstanden hast?«
»Ja, ich habe dich verstanden.«
»Gut. Warte hier. Ich bin gleich wieder da.« Trevir verschwand für einen Moment in der Schlafhöhle. Als er wieder auftauchte, hielt er in seiner Linken Aluuins Stab. Zudem hing das Trageband eines großen Beutels über seiner Schulter und Orrik an seinem Kragen.
Dwina verdrehte die Augen. »Unser jüngstes Familienmitglied darf natürlich nicht fehlen.«
Trevir legte ihr die Hand auf den Rücken und während er sie aus der Höhle schob, erwiderte er: »Orrik hat mir schon einmal das Leben gerettet, und wie du weißt, kann er uns auch heute sehr nützlich sein.«
»Sein Glück. Sonst hätte ich ihn längst einer Fiederkatze vorgeworfen.«
»So etwas gibt es gar nicht.«
»Bist du dir da so sicher?«
Über mehrere Ebenen stiegen sie rasch zum Dom empor. In der Krypta blieb Trevir noch einmal stehen, umarmte Dwina und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich liebe dich, Lämmchen. Vergiss das nie, egal, was passiert.«
Sie küsste ihn so innig, als wolle sie einen Teil ihrer Lebenskraft in ihn übergehen lassen. Schließlich sagte sie streng, doch mit bebender Stimme: »Du brauchst dich gar nicht von mir zu verabschieden, Trevir von Annwn. Ich bleibe immer in deiner Nähe.«
Zunächst mussten sie sich aber doch trennen. Dwina stieg über einen geheimen Aufgang in das nördliche Seitenschiff empor und gesellte sich zu zwei Badda, die dort hinter Trümmern und Säulen versteckt in Deckung lagen. Der Hüter nahm einen anderen Weg nach oben, der in eine Kapelle südlich der Kuppelhalle mündete. Orrik half ihm bei der Orientierung in der Dunkelheit.
Am Ende der Treppe wurden
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