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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gezogen, nachdem ein Moskito mich in die Hand stach. Dann war er mit einem Mal weg.«
    »Ich verstehe. Vielleicht wurde er ja gestohlen.«
    Helwan grinste. »Das müssten Sie als Finder dann ja wohl herauskriegen, oder?«
    Francisco erhob sich aus dem Sessel und lief langsam zum Fenster, an dem eine graue Jalousette die Sonne aussperrte; nur ein paar Lichtspeere fanden trotzdem ihren Weg ins verqualmte Büro. Einen Moment lang blieb er mit geschlossenen Augen stehen. Die Männer in seinem Rücken schwiegen gespannt. Dann drehte er sich um und kehrte ohne Eile zum Schreibtisch zurück. Sein Gesicht war ausdruckslos. Weder Vicente noch Heiwan konnten darin lesen. Er umrundete den Tisch und ging zur Rechten des Archäologen in die Hocke.
    »Könnten Sie bitte kurz zur Seite gehen, Doktor Helwan?«
    »Was haben Sie vor, Senor Serafin?«
    »Ich muss Ihren Schreibtisch verrücken, um an den Ring heranzukommen.«
    »Wollen Sie allen Ernstes behaupten…?«
    Ein grässliches Quietschen schnitt Helwan das Wort ab, als Francisco das altmodische Arbeitsmöbel über die gewachsten Dielen schob. Danach kniete er sich auf den Boden und schielte in einen Spalt, wo die Bodenbretter etwas weiter auseinander standen. Ohne aufzusehen hielt er den Arm mit nach oben geöffneter Hand hoch. »Hätten Sie vielleicht einen Kugelschreiber für mich, Doktor? Einen möglichst billigen, wenn’s geht.«
    Der Archäologe drückte seinen Glimmstängel in der Muschel aus und reichte seinem Besucher ein entsprechendes Utensil aus rotem Plastik. Francisco schraubte das Geschenk der ägyptischen Fluggesellschaft auseinander, entnahm ihm die Miene und begann damit in dem Spalt herumzustochern. Kurz darauf förderte er den vermissten Goldring ans Tageslicht.
    Helwan sackte die Kinnlade herab.
    Vicente grinste von einem Ohr zum anderen.
    »Wie konnten Sie…?« Mehr brachte der staunende Wissenschaftler nicht heraus.
    »Ich habe Ihre Beschreibung von dem Ring verinnerlicht und danach gesucht.«
    »Aber das kann doch nicht alles sein.«
    Francisco lächelte scheu. »Das stimmt. Es ist jedoch alles, was ich Ihnen dazu sagen kann. Ich verstehe selbst nicht genau, wie es funktioniert.«
    »Vögel fliegen auch um den halben Erdball zu ihren Nistplätzen, ohne sich über das Wie Gedanken zu machen«, merkte Vicente an.
    Helwan blickte verwirrt zwischen ihm und dem Finder hin und her. Nervös zündete er sich eine neue Zigarette an. Erst nach dem ersten Zug erlangte er seine Sprache zurück. »Wenn ich Sie recht verstehe, dann müssen Sie weder Sprengungen noch andere zerstörerische Eingriffe an unseren Kulturschätzen vornehmen, um die Kammer des Wissens zu finden.«
    Francisco nickte.
    Sein Bruder sagte: »Sollte er den Eingang finden, dann werden wir ihn natürlich öffnen müssen. Die Methode überlasse ich Ihnen. Hauptsache, mein Bruder und ich können die Kammer bis zum 15. Juli betreten.«
    »Sie legen ja ein erstaunliches Tempo vor. Warum so bald?«
    Vicente schmunzelte. »Sagen wir, es ist so eine Art Wette.«
    »Die Beamten im Kulturministerium arbeiten sehr gründlich.«
    »Langsam, wollen Sie wohl sagen. Wenn wir die Kammer bis Mitte Juli finden, dann dürfen Sie sich als ihr Entdecker feiern lassen.«
    »Das ist sehr freundlich, Senor Alvarez, aber es könnte trotzdem nicht genügen.«
    Vicente erhob sich aus dem Sessel, stützte beide Hände auf den Schreibtisch und sah Helwan fest in die Augen. »Welche Summe wäre denn erforderlich, um die Sache zu beschleunigen?«
     
     
    Das Luxushotel Le Meridien Pyramids lag nur fünf Gehminuten von den großen Pyramiden entfernt. Francisco hatte auf ein eigenes Zimmer bestanden. In Paris war er gewarnt worden. »Passen Sie auf!«, hatte David Pratt eindringlich gesagt. Der Hinweis des Reporters war nur das letzte in einer ganzen Reihe nachdenklich stimmender Signale. Allzu deutlich erinnerte sich Francisco auch jener beunruhigenden Begegnung mit einem Gesicht in Glastonbury, das sich Trevir nannte. Nimm dich vor den Feinden in Acht, die das Gleichgewicht stören wollen.
    Wer war damit gemeint? Etwa Vicente? Wohl kaum, dachte Francisco, während er am Fenster seines Hotelzimmers stand und auf die beleuchteten Pyramiden blickte. Er hatte gehofft, ihr Anblick würde seinen zunehmend rastloser werdenden Geist zur Ruhe kommen lassen, aber eher das Gegenteil war der Fall. Lag es an der nahenden sechsten Welle? Mit Sicherheit. Aber vielleicht auch an der Zwiespältigkeit, die ihn in letzter Zeit immer häufiger

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