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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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untereinander verbundenen Körpern, hat einen Schwerpunkt. In diesem winzig kleinen Fleck vereinen sich alle Massen, so, als existierten die Körper oder die Gruppe nur dort. Jede Kraft, ob sie nun von innen oder außen darauf einwirkt, greift genau am Schwerpunkt an. Bewegst du ihn, verändert sich auch das ganze Drumherum, steht er still, ruht auch der Rest. Dank Abacuck und der jahrhundertelangen Vervollkommnung unseres Wissens haben wir ein sehr empfindliches Gespür für den Schwerpunkt von Körpern jeder Art entwickelt. Wir können ihn ab und zu sogar verändern, was manchen wie Zauberei erscheint.«
    »Und ich werde das auch lernen?«
    »Wie ich bereits sagte, Trevir: Dir wohnt diese Kraft inne; du musst nur lernen sie zu beherrschen, um das Gleichgewicht des Triversums zu schützen. Nie darfst du dich in die Gewalt von jemandem begeben, der das von dir Empfangene zu missbrauchen sucht. Es wäre womöglich das Ende nicht nur unserer Welt.«
    »Ich habe in den letzten Tagen eine seltsame Unruhe gespürt, Meister. Kann das… Ist es möglich, dass ich die Bewegungen der Welten irgendwie fühle?«
    »Da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Jeder andere Punkt und damit auch jedes Geschöpf im Triversum bewegt sich in den Wellen gleichsam auf und ab. Es bemerkt davon nichts, weil auch darum herum alles dieselbe Bewegung vollzieht. Aber bei dir ist das anders. Du nimmst das Wogen wahr. Wie die Ringe der drei ins Wasser geworfenen Steine beeinflussen sich Trimundus und ihre beiden Geschwister gegenseitig: mal schwächer, wenn zwei Wellentäler aufeinander treffen, mal ausgesprochen stark, wenn die Wellenberge sich zu ›großen Wellen‹ vereinen. Dabei werden Kräfte frei, die einem Empfänger wie dir nicht entgehen können. Nicht von ungefähr bist du in einer solchen Zeit – als die drei Welten einander fast berührten – geboren worden.«
    Dem Jungen wurde heiß. Er kannte die Geschichte vom Dorf Annwn, von Mologs Überfall und von dem hohlen Baum. »Taarndol hat einmal gesagt, die Bewohner von Annwn glaubten, ihr Dorf stehe am Eingang zum Feenreich.«
    »Was Menschen sehen, ist das, was sie zu sehen glauben, und was sie glauben, ist das, was sie sehen.«
    Trevir schritt eine Weile stumm neben seinem Meister her. Aluuin konfrontierte ihn oft mit solchen Äußerungen, die zu verstehen es nicht selten mehr als nur einen Tag Schafe hüten bedurfte. Schließlich befreite der Lehrer seinen Schüler aus dem Netz der Verwirrung.
    »Ich weiß nicht, wo du geboren wurdest, mein Junge.« Die Stimme des Alten klang nun leise und voller Bedauern. »Glaube mir, ich würde es dir gerne sagen. Aber ich vermute stark, dass es nicht hier, nicht auf Trimundus war. Irgendwo in einer der beiden anderen Welten trauert vermutlich eine Mutter um ihr verschwundenes Kind.«
    Hätte Aluuins Arm nicht immer noch auf Trevirs Schulter gelegen, wäre er jetzt vermutlich ins Wanken geraten. Alles um ihn herum schien sich zu drehen. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. »Ich verstehe das nicht«, war schließlich alles, was er sagen konnte.
    »Da gibt es einige Dinge, die ich dir noch nicht erzählt habe, mein Junge«, erwiderte Aluuin sanft und verschaffte seinem Schüler nun einige neue Einblicke in unterschiedlichste Ereignisse, angefangen bei dem sonnigen milden Herbsttag, als er das blau strahlende Findelkind in einer halb verkohlten und von Eis überzogenen Linde gefunden hatte, bis hin zu diesem Morgen, an dem Trevir zum Empfänger einer weiteren Gabe geworden war. Zum ersten Mal erwähnte Aluuin die wundersamen Begleitumstände dieser Rettung und gab Einblick in seine innersten Überlegungen, die er während all der Jahre angestellt hatte, in denen Trevir Dinge anstellte, die niemand sonst zu tun vermochte. Zuletzt schloss der Alte mit den Worten: »Und deshalb ist es dir beschieden, der Hüter des Gleichgewichts zu sein.«
    Trevir stolperte, eine Folge seiner Fassungslosigkeit und der weichen Knie. Dadurch rutschte er aus Aluuins Arm. Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Aber ich kann nicht der Hüter sein, Meister. Das bist doch du.«
    Der Alte lächelte milde. »Ich mag vielleicht der Verwalter dieses Amtes sein, aber seit Abacuck hat es keinen richtigen Hüter mehr gegeben.«
    »Du meinst, der Gründer unseres Ordens war wie ich?« Trevir schwirrte der Kopf.
    »Niemand weiß das so genau, mein Sohn. Zumindest hatte Abacuck ein bis heute nie mehr erreichtes Wissen und damit auch eine besondere Macht über das Gleichgewicht. Er

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