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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Wir können es schaffen!«, machte er sich selbst Mut. Er fürchtete, jeden Moment vor Aufregung zu platzen.
    Bald wurden weitere Inseln sichtbar. Auf der Brücke begann nun eine oft durchexerzierte Routine: Jobax las die Tiefenangaben von der Karte ab, verglich sie mit den Anzeigen des Echolots und deutete das Ganze für Sabri in Kurskorrekturen um. Auf diese Weise hatten sie schon gefährliche Riffe durchquert.
    Die Entfernung zum Land schrumpfte erfreulich schnell und im gleichen Maß wuchs an Bord der Tanhir die Zuversicht. Kaum einer ließ sich von den über Funk vom Zerstörer abgesetzten Aufforderungen zum Beidrehen einschüchtern, obwohl sie inzwischen zunehmend wie Drohungen klangen – weil der Empfänger lauter als nötig eingestellt war, konnte man die Durchsagen sogar noch an Deck verstehen. Die Besatzung der Tanhir blieb erstaunlich ruhig. Jeder Mann stand auf seinem Posten. Und sämtliche Augen waren auf Topra gerichtet.
    »Es klappt!«, ertönte von der Brücke Sabris erregte Stimme.
    »Wenn wir die Untiefe da vorne passiert haben, dann können sie uns nicht mehr folgen«, gab ihm Jobax Recht. Er war immer noch die Ruhe selbst.
    Auch Topra schöpfte neue Hoffnung.
    Plötzlich hörte er einen Donnerschlag. Entsetzt wirbelte er herum. Von einem Geschützrohr des Zerstörers stieg grauer Qualm auf, ein Furcht erregendes Jaulen zog über ihn hinweg, im nächsten Moment schlug höchstens hundert Faden vor der Tanhir eine Granate ins Wasser und explodierte. Eine Fontäne spritzte nach oben. Topra starrte entsetzt auf die toten Fische, die vom Himmel regneten. Kurz danach spürte er einen feinen Regen auf seiner Haut. Schossen sich die baqatischen Kanoniere etwa schon auf sie ein?
    »Wir können’s noch schaffen!«, brüllte Sabri.
    »Ja!«, hauchte Topra flehentlich. »Wir müssen ihnen entkommen.«
    Jobax sagte nichts. Er blickte nur mit versteinerter Miene aus dem Fenster und schien ihre Chancen gegen das Risiko abzuschätzen, elf Menschenleben zu verlieren.
    Unvermittelt tauchte ein grauer Schatten hinter der nächstliegenden Insel auf.
    »Verdammt! Ein Torpedoboot«, schrie Sabri erbost.
    Jobax’ Urteil fiel sachlicher aus. »Sie haben uns eine Falle gestellt und ich Rhinozeros bin mitten reingetappt.« Er griff zum Mikrofon und gleich darauf hallte seine Stimme laut über das Deck. »Männer! Wir können wegen der Untiefen weder nach backbord noch nach steuerbord ausweichen. Die baqatischen Hunde werden versuchen, uns zwischen ihren Schiffen zu zermalmen oder uns mit ihren Kanonen und Torpedos zu pulverisieren. Uns auf einen Kampf einzulassen wäre glatter Selbstmord. Ihr habt mit dieser Sache nichts zu tun und sollt nicht wegen mir und Topra sterben. Um ihn allein geht es Isfets Häschern – sie wollen meinen Sohn! Deshalb stelle ich euch vor die Wahl: Entweder wir drehen bei und ergeben uns oder wir lassen die Tanhir auflaufen und versuchen uns an Land zu retten. Im letzten Fall wird man auf uns schießen und möglicherweise einige töten. Vielleicht finden wir auf der Insel auch kein Versteck und werden alle gefasst. Welche der zwei Möglichkeiten wollt ihr wählen?«
    Es dauerte nicht lang, bis die Antwort kam.
    »Wenn wir Isfets Marine erlauben uns zu entern, dann werden wir am nächsten Ast aufgeknüpft. Wir ergeben uns nicht!«, rief Karim.
    »Kommt gar nicht infrage. Topra ist genauso auch unser Junge«, pflichtete Sabri dem Schiffskoch bei.
    Die anderen Männer riefen Ähnliches, stießen die Fäuste in die Luft und brüllen in wilder Entschlossenheit.
    Topra dagegen blieb still. In sich gekehrt stand er an der Reling und versuchte die ganze Tragweite seiner Lage zu begreifen, nicht nur für sich allein, sondern auch für seinen Vater und die rauen Burschen, die seine Freunde waren. In den letzten Monaten hatte er mehr und mehr Mühe gehabt, sich nicht schuldig zu fühlen. Die Irrfahrt der Tanhir ging schließlich auf sein Konto. Und nun sollten die Gefährten auch noch um seinetwillen sterben? Das durfte er nicht zulassen. Er musste irgendetwas tun, um wenigstens ihr Leben zu retten. Aber was?
    Jobax hatte inzwischen den Motor drosseln lassen. Er stellte das Schiff gegen den Seeschlag und damit quer zum Feind – ein unmissverständliches Zeichen der Kapitulation. So würden die Kriegsschiffe keine weiteren Granaten oder gar Torpedos abschießen. Die Entfernung bis zum Land betrug noch etwa eine Seemeile. Einige Matrosen würden den Strand schon unter normalen Bedingungen nur mit Mühe

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