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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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links. Kurz konnte er noch einen dunklen Schemen sehen, der beim Bug des Torpedobootes im Wasser verschwand. Taucher!, schoss es Topra durch den Kopf. Warum hatte er daran nicht gedacht? Gleich mussten sie bei ihm sein. Obwohl ihn diese Erkenntnis – jetzt, wo er sich ohnehin ergeben wollte – eher beruhigen sollte, versetzte sie ihn in Panik. Er entledigte sich des Schwertes, stieß den Rettungsring von sich und begann wie wild zu kraulen – nicht etwa auf das Torpedoboot zu, sondern von ihm weg.
    »Bleib da, du Narr, wir wollen dir doch nur helfen!«, schrie der Kapitän durchs Megafon.
    Topra hörte nicht auf ihn und pflügte so schnell er konnte durchs Wasser. Doch selbst die Erregung konnte seinem Körper nur noch wenige Reserven entlocken und bald erlahmten seine Kräfte ganz. Dann fuhr ihm auch noch ein Krampf ins Bein. Hinter sich hörte er das erregte Rufen des Kapitäns.
    »Da kommt etwas durchs Wasser! Bei allen Göttern! Ein riesiges Ungetüm! Kehrt zurück, Männer!«
    »Aber der Junge!«, widersprach eine andere Stimme dicht hinter Topra.
    »Lasst ihn. Das Monstrum soll ihn sich holen. Unser Auftrag ist trotzdem erfüllt. Aber jetzt kommt endlich, sonst…«
    Mehr hörte Topra nicht, weil die Wellen über seinem Kopf zusammenschlugen. Der Schmerz im Bein war unerträglich, aber trotzdem kämpfte er weiter. Obwohl er dicht unter der von Scheinwerfern erhellten Wasseroberfläche schwebte, wollte ihm die Rückkehr dorthin nicht mehr gelingen. Seine Bewegungen wurden immer lahmer. Plötzlich sah er einen gewaltigen Schatten, der förmlich auf ihn zuflog. Ein riesiges Ungetüm! Kapitän Djedefres Schreckensruf vom Monstrum echote noch einmal durch Topras Hirn.
    Das unförmige dunkle Etwas zog einen weiten Bogen. Dabei wurden seine Umrisse schnell deutlicher. Es war ein kolossaler Fisch! Seine Unterseite schimmerte einheitlich hell, indes konnte Topra auf dem dunkleren Rücken des Tieres weiße Tupfen und senkrechte Linien erkennen. Die Rückenflosse sah aus wie die eines Haies, aber der gewaltige Leib hatte die Größe eines Wals.
    Nun kam dieser Gigant des Meeres direkt auf das hilflos strampelnde Menschlein zu. Einen Moment glaubte Topra ein riesiges Zyklopenauge zu erblicken, aber dann wurde ihm bewusst, dass es sich um ein ovales schwarzes Maul von solcher Größe handelte, wie er es nie zuvor gesehen hatte. Das Letzte, was ihm an dem Monstrum auffiel, waren seine richtigen Augen; winzig klein bewachten sie den pechschwarzen Rachen und schienen den zappelnden Happen im Wasser interessiert zu mustern.
    Dann hatte der Fisch Topra verschluckt.

 
    8
    Der gefallene Engel
    Erde
     
     
     
    Es war kaum noch auszuhalten. Francisco unternahm keine Führungen für die Touristen mehr und zeigte sich auch nur noch selten außerhalb der Klostermauern. Lediglich ab und zu ließ er sich von Pedro vorführen. Das bedeutete dann, den Kopf durch das Fenster über der Klosterpforte zu stecken und sich mit den Huldigungen der verzückten Gläubigen überschütten zu lassen. Jemand, der am Pranger stand, konnte sich nicht elender fühlen, als Francisco es in solchen Augenblicken tat.
    Abgesehen von den wenigen, die ihn immer noch für einen Komplizen des Teufels hielten, stand er mit dieser Einstellung jedoch ziemlich allein auf weiter Flur. Zwar pflegte die katholische Kirche Heilige erst nach ihrem Tod zu solchen zu ernennen, aber die Pilger hatten für den Wunderknaben von La Rábida eine Ausnahme gemacht. Sie kamen von überall, reisten sogar in großer Zahl aus Südamerika an. Erst vor gut einer Woche war eine Delegation aus Japan zu Gast gewesen. Und in fünf Tagen sollte die nächste Fleischbeschau stattfinden. Pedro hatte Francisco in sein Büro gebeten, weil er ihm eine wichtige Mitteilung machen wollte, und der Heilige wider Willen nutzte die Gelegenheit, um seiner Empörung Luft zu machen.
    »Ich komme mir vor wie ein Tiger im Käfig.« Tatsächlich lief er wie eine Großkatze vor dem Schreibtisch des Guardians hin und her. Inzwischen war er – obwohl erst siebzehneinhalb und demnach noch nicht volljährig – Novize und trug das franziskanische Habit.
    »Eher wie ein Braunbär«, erwiderte Pedro gelassen.
    Francisco blieb verdutzt stehen. »Warum?«
    »Tiger sind gestreift. Sieh dich an. Du bist braun.«
    »Du nimmst mich nicht ernst, Bruder Pedro.« Franz von Assisi hatte seine Nachfolger angehalten sich als eine Gemeinschaft von Brüdern zu sehen, weshalb selbst der Guardian des Klosters nicht als Vater,

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