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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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von Baqat kontrollierten Gewässer weitgehend gemieden. Im Land Karroo, an der Südspitze des Schwarzen Kontinents, genoss die Supermacht keinen so glänzenden Ruf, wie es die Propaganda des Pharaos gerne behauptete. Baqatische Exilanten waren, wenn sie der Wirtschaft Karroos nützten, im Land jedoch gerne gesehen. Jobax unterstützte den küstennahen Handel, was ihm und seiner Besatzung mehr als drei Jahre lang ein gutes Auskommen sicherte.
    Dann begann sich Unmut zu regen. Fünf seiner neun Matrosen hatten Familie und sosehr die Männer ihren Schiffsjungen auch liebten, drängte es sie doch nach Hause. Hinzu kam Topras wachsendes Verlangen, endlich mit der Suche nach Hobnaj und Gisa zu beginnen. In den letzten Wochen war er immer unruhiger geworden. Er wolle endlich zurück nach Memphis, denn nur dort, im Zentrum der Macht, werde er eine Antwort auf seine Fragen finden. Mit dieser Erklärung, fast täglich wiederholt, hatte er Jobax schließlich mürbe gemacht. Doch der Kapitän wollte die riskante Reise in den Norden nicht ohne ein paar zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen antreten. Mit verschmitztem Grinsen hatte er verkündet: »Wir werden die gute alte Tanhir ein wenig liften.«
    Am Fuße des Drachenberges, westlich der Stadt Umtata, war die Dhau kurz darauf einer »kosmetischen Operation« unterzogen worden. Jobax ließ überall auf dem Schiff Halterungen anbringen, in die man lange Bambusrohre stecken konnte. Innerhalb von Minuten entstand so ein Gerüst, das als »Stützkorsett« für einen Überzug aus schwarzem Segeltuch diente. Weil Jobax sein Schiff zudem neu »schminkte« – er ließ den Rumpf und sämtliche Aufbauten pechschwarz streichen, die Segel dagegen blaugrün einfärben –, bekam die Tanhir ein völlig neues Gesicht. Zumindest aus größerer Distanz, also für Satelliten oder in großer Höhe darüber hinwegziehende Aufklärungsflugzeuge, war ihre veränderte Silhouette damit nicht mehr wiederzuerkennen. Zur Krönung der Camouflage gab er seiner Dhau einen Decknamen. Ab sofort sollte sie nicht mehr als »Falke«, sondern als »Gepard« über das Meer rauschen – das alte baqatische Wort für die leichtfüßige Großkatze lautete Abjamah.
    So gerüstet hatte die Reise vor einer Woche begonnen. Die als Abjamah getarnte Tanhir lief einen stetigen Nordnordostkurs. Weil die Winde günstig waren, konnte Jobax den Motor ruhen lassen. Dadurch sparte er nicht nur Treibstoff, sondern blieb auch für die nach Wärmequellen Ausschau haltenden Infrarotkameras der Himmelsspione unsichtbar.
    Seit etwa drei Tagen durchquerte der »Gepard« nun schon die Meeresstraße zwischen dem Schwarzen Kontinent und der Insel Lemur. Obgleich Topra sich über den Heimatkurs freute, war er reizbar und angespannt. Zuletzt hatte er eine solche Rastlosigkeit vor dreieinhalb Jahren gespürt. Er schob das beunruhigende Gefühl auf die allgemeine Stimmung an Bord, die sich wohl erst bessern würde, wenn die Tanhir wieder das offene Meer erreichte. Bei den Matrosen gab es ein geflügeltes Wort: »Das Unglück ist eine Viper und baut sich sein Nest am liebsten in enger See. Dort, wo niemand ihm entkommen kann, schlägt es wie die Giftschlange plötzlich aus dem Hinterhalt zu.«
    Schon glaubte Jobax, der tückischen Meerenge entkommen zu sein, als plötzlich die Schiffsglocke ertönte. Es war später Nachmittag und Topra hatte mit seinem Ziehvater gerade auf dem Dach des Achterhauses gesessen, um zu reden und die Sonne in die Nacht zu verabschieden. Sie stand bereits dicht über dem Horizont im Osten. Von dort näherte sich auch der Gegner. Er hatte den Zeitpunkt schlau gewählt, weil er im Gegenlicht mit bloßem Auge kaum auszumachen war.
    Jobax beugte sich weit über die Dachkante herab und rief: »Was gibt es?«
    »Da is’ ‘n dickes Walross auf Kollisionskurs. Scheint uns breit machen zu wollen.« Die Lagebeurteilung kam von Sabri, dem Steuermann, dessen haarloser Kopf aus dem Fenster der Brücke ragte, von wo aus er zu seinem Kapitän nach oben schielte. An Bord der Tanhir musste der Rudergänger zugleich den Radarschirm im Auge behalten.
    Topras Blick folgte dem ausgestreckten Arm des stämmigen Matrosen. »Die Sonne blendet zu sehr. Ich kann nichts erkennen«, sagte er.
    »Ist es ein Kriegsschiff?«, fragte der Kapitän.
    »Wenn ‘n dicker Pott wie der so viel Fahrt aufnimmt, dann kann’s nur ‘n baqatischer Zerstörer sein.«
    Jobax sprang vom Achterhaus aufs Deck, als wäre er der Gepard, dem das Schiff seinen Namen

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