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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Stühle und mehrere Regale. Durch das schmale Fenster ergoss sich Sonnenlicht in den Raum.
    Etwas auf Franciscos Gesicht weckte sofort die Aufmerksamkeit des Guardians. Pedro legte einen Füllfederhalter zur Seite und sah seinen Schüler erwartungsvoll an.
    Der Novize kam schnell zur Sache. Er berichtete von den beiden Besuchen Vicentes. Pedro war nicht überrascht. Er habe ihm, Francisco, den Gast bereits am Montag ankündigen wollen, aber der Verlauf ihrer Unterhaltung hatte dann eine Wendung genommen, die das verhinderte. Unbeirrt fuhr der angehende Mönch fort, berichtete von dem Provinzialen wie auch von Estefania Morales und schloss seine Vorrede schließlich mit der Frage: »Bist du mein leiblicher Vater, Bruder Pedro?«
    Dem Guardian wich schlagartig alle Farbe aus dem Gesicht. Obwohl seine Keuschheit gerade von einem Novizen infrage gestellt worden war, sah er nur betroffen aus, aber nicht erzürnt. Er schüttelte den Kopf, erst langsam, dann immer schneller. »Nein. Nein! Was du dir da zusammengereimt hast…«
    »Sind deine große Liebe und meine Mutter ein und dieselbe Person, Bruder Pedro?«, hakte Francisco unerbittlich nach.
    »Estefania Morales?«, hauchte der Guardian. Seine Augen schienen durch Francisco hindurchzublicken und dabei einen Schmerz widerzuspiegeln, für den es keine Linderung gab. Wieder schüttelte er den Kopf, doch nicht, um die Frage zu verneinen. »Ja«, flüsterte er. »Es gibt nur eine Estefania. Weil ich Vicente Alvarez nur am Telefon gesprochen hatte, kam mir allerdings nicht in den Sinn, dass es sich dabei um ihren Sohn, den Vater von Clara Moguer, handelte. Vielleicht kannst du jetzt besser verstehen, warum ich jeden weiteren Kontakt mit dem Mädchen unterbinden…«
    »Was hast du da gesagt?«, stieß der Novize mit schriller Stimme hervor. Er hatte Pedros Worte erst nach einer langen Schrecksekunde ganz erfasst.
    »Sag bloß, der Kerl hat dir nichts davon erzählt.«
    »Clara ist Vicentes Tochter?« Francisco schüttelte ungläubig den Kopf. »Das bedeutet ja…«
    »Wenn du tatsächlich Vicentes Bruder bist, dann ist sie deine Nichte.«
    Francisco musste sich an der Lehne des Besucherstuhles festhalten, um wenigstens äußerlich das Gleichgewicht zu bewahren. Endlich hatte er sich so weit gefasst, um zu fragen: »Du sprichst nicht gerade respektvoll von Vicente, obwohl er doch Estefanias Sohn ist. Was weißt du über ihn?«
    Der Guardian holte tief Atem, als wolle er zu einer umfangreicheren Erklärung anheben, doch in diesem Moment klopfte es hinter Francisco an der Tür.
    »Ja?«, rief Pedro. Seine Stimme bebte.
    Die Tür öffnete sich und Bruder Gaspar trat ein.
    »Da ist jemand, der dich sprechen will, Bruder Pedro«, sagte der Mönch, dem die Betreuung von Kandidaten für das Postulat anvertraut war. Er warf einen unbehaglichen Blick auf Francisco.
    »Wie du sicher bemerkt haben wirst, führe ich gerade ein Gespräch mit unserem Novizen«, sagte der Guardian zwar nicht unfreundlich, aber gleichwohl streng.
    »Ich glaube nicht, dass die Herren warten wollen. Sie sind sozusagen in offizieller Mission gekommen«, erklärte Gaspar eigenartig verklausuliert.
    »Warum sagst du nicht einfach, wer da ist und was sie wollen?«
    Der Postulatsleiter ließ die Augen kurz zu dem Novizen springen und machte ein noch unglücklicheres Gesicht.
    »Francisco genießt mein volles Vertrauen. Also, raus mit der Sprache, Bruder Gaspar. Was wollen die Leute?«
    Der Mönch schien die Botschaft förmlich hervorzuwürgen, als er endlich damit herausrückte. »Es sind Polizisten. Ich glaube, sie wollen dich verhaften, Bruder Pedro.«
    Francisco kam sich vor wie ein Komet, der seine Sonne verloren hatte und nun haltlos durch die Leere taumelte. Die Polizisten hatten den Kirchenfrieden nicht zu stören und zur Ausübung ihrer Pflicht nicht in das Kloster einzudringen gewagt, deshalb war Bruder Pedro arglos zu ihnen nach draußen gegangen. Francisco hatte ihn begleitet. Es war ein groteskes Bild. Da standen schon die ersten Wallfahrer auf dem kiesbestreuten Vorplatz und jubelten dem berühmten Wundernovizen zu. Gleichzeitig stotterte der Polizeioffizier an der Pforte einige Sätze aus dem Haftbefehl – der Guardian hatte darauf bestanden, erst den Grund für »diesen Mummenschanz« zu erfahren, bevor er sich abführen lasse.
    »Ihnen, Javier Seda, bekannt unter dem Ordensnamen Pedro«, sagte der Polizist mit gequälter Stimme, »wird zur Last gelegt, am 20. November 1975 Pedro Alvarez,

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