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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatte seine goldenen Jahre längst hinter sich. Das Gespräch während der Fahrt wurde hauptsächlich vom unentwegt paffenden Chauffeur bestritten. Er legte einen besonderen Ehrgeiz an den Tag, den geistlichen Bruder durch allerlei anzügliche Witze aus der Fassung zu bringen.
    Francisco konterte mit eisigem Schweigen. Ihm stand ohnehin nicht der Sinn nach leichter Konversation. Er kam sich immer mehr vor wie ein Abtrünniger, wie ein gefallener Engel, der sich von seinem gütigen Vater abgewandt hatte. Hinzu kamen dunkle Ahnungen. Allmählich dräute ihm nämlich, worauf er sich da eingelassen hatte. Zunächst musst du irgendwie die Nacht überstehen, machte er sich klar. Den nächsten Zug nach Madrid bekommst du nicht vor morgen früh. Bange blickte er durch das Seitenfenster auf jene Straßen, die ihm eigentlich vertraut sein müssten. Bei Nacht sah alles fremd und bedrohlich aus. Das altersschwache Taxi hatte mittlerweile den Rio Tinto überquert und Huelvas Stadtgrenze passiert. Es klapperte an einer monumentalen Granitstatue vorbei, die Christoph Kolumbus darstellte: sechsunddreißig Meter hoch und effektvoll angestrahlt.
    »He! Was soll das?« Die ruppige Frage des Wagenlenkers galt dem Fahrgast, der seine Augen nur schwer vom Fenster lösen konnte.
    »Was?«
    »Deine Lampe spiegelt sich in der Scheibe. Mach sie sofort aus!«
    Francisco stutzte. Dann fiel sein Blick auf die Hände im Schoß und er erschrak. Sie glühten in einem blauen Licht, das ihm nur allzu vertraut war. Zuletzt hatte es ihn vor dreieinhalb Jahren genarrt. »Das ist… nichts«, stotterte er, zog sich schnell die Kapuze über den Kopf und hielt die Augen starr nach unten gerichtet; die Hände hatte er rasch in den Ärmeln vergraben.
    »Schon besser«, sagte der Fahrer und ließ seine Zigarette orangerot aufglühen.
    Der Novize spürte, wie etwas in ihm hochzukriechen begann. Die letzten drei Tage hatte er wahrlich genug Anlass gehabt, fahrig und nervös zu sein. All das erschien ihm dagegen jetzt nur noch wie eine Ablenkung von der wahren Ursache seiner Fahrigkeit. Kurz bevor er durch das »Wunder von La Rábida« zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt war, hatte ihn dieselbe Unruhe erfasst. Wenig später war er blutend aus der Kirche getragen worden.
    »Lassen Sie mich gleich hier aussteigen«, stieß er hervor.
    »Wir sind sowieso gleich da«, widersprach der Fahrer.
    »Bitte!«
    Die Bremsen quietschten und der Wagen kam abrupt zum Stillstand. »Der Kunde ist König«, frotzelte der Kettenraucher und schickte eine Wolke blauen Qualms in Richtung Fond.
    »Was macht das?«
    Der Chauffeur nannte den Preis.
    Francisco holte seine zusammengerollten Geldscheine hervor und begann daran herumzunesteln. Er sah nicht, wie zuerst die Augen des Fahrers groß wurden und dessen Hand anschließend nach einer Pistole unter dem Sitz tastete. Selbst als die Mündung der Waffe bereits auf seine Brust zielte, kämpfte er noch mit den Banknoten. Aber dann hörte er eine Stimme, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    »Hab mir gleich gedacht, dass du unmöglich ein Bettelmönch sein kannst. Kein Franziskaner schleppt so viele Moneten mit sich herum. Vermutlich geklaut, was, Bruder? Gib her, den Zaster. Ich sorge dafür, dass er in die richtigen Hände kommt. Und schalt verdammt noch mal dieses dämliche Licht aus!«
    Francisco wagte kaum sich zu rühren. Noch immer kauerte er mit gesenktem Haupt auf dem Rücksitz und beobachtete, wie sich jetzt die Hand des Taxifahrers heranpirschte, um nach der Beute zu greifen. Unwillkürlich wanderten die Augen des Novizen am Arm des Mannes empor, erreichten die Schulter und dann trafen sich ihre Blicke.
    Das Gesicht des Fahrers warf den blauen Glanz zurück, in dem das Antlitz seines Passagiers erstrahlte. Die Kinnlade des raffgierigen Kerls klappte herab, die brennende Zigarette landete in seinem Schoß. Wie diese fiel auch alle Verschlagenheit von ihm ab. Seine Miene verriet nur noch Entsetzen. Er begann zu zittern und schrie: »Hab Erbarmen und weiche von mir!«
    Francisco erschloss sich nicht sofort der ganze Sinn dieser Aufforderung und immerhin war da ja noch die Pistole, auch wenn sie nun nicht mehr direkt auf ihn zielte, sondern dazu benutzt wurde, ihm den Weg nach draußen zu zeigen.
    »Ich gelobe, von nun an ehrlich zu sein. Nie wieder werde ich meine Frau schlagen, meine Fahrgäste übervorteilen oder Geld aus dem Klingelbeutel stehlen«, beteuerte der Fahrer, während seine Hose allmählich zu rauchen

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