Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
Vom Netzwerk:
Welt, könnte so schlimm sein?“
    „Ich weiß es nicht“, entgegnete er. „Wenn du Königin bist, kannst du das selbst herausfinden. Jetzt lass uns gehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
    Ich konnte meinen Blick nicht von dem Mann losreißen, als James und Ava mich zwangen, um den See herumzugehen. Selbst als die Unterwelt sich längst wieder in sanft hügelige Felder mit einem gelben Landhaus im Zentrum verwandelt hatte, hörte ich noch seine Schreie in meinem Kopf widerhallen.
    Zumindest hatte James bestätigt, was ich vermutet hatte. Mein Körper gewöhnte sich um, doch in ihm steckte immer noch die Erinnerung daran, wie es sich anfühlte, sterblich zu sein. Glas prallte von meiner Haut ab, ich konnte von der Spitze des Empire State Buildings fallen und ohne einen Kratzer davonspazieren, aber ich würde trotzdem das Brennen des Feuers spüren.
    „Wie lange wird es dauern, bis ich keinen Schmerz mehr fühle?“, fragte ich unsicher.
    „Das ist bei jedem anders“, meinte James. „Vielleicht ein paar Monate, vielleicht ein paar Jahre. Es hat mit deinem Geist zu tun, nicht mit deinem Körper.“
    „Aber irgendwann wird es so weit sein?“, vergewisserte ich mich.
    „Ja, im Laufe der Zeit.“
    „Was ist mit den angenehmen Gefühlen?“
    Ava schob ihre Hand in meine. „Kate, wenn keiner von uns Vergnügen oder Lust empfinden könnte, glaubst du, wir würden auch nur die Hälfte der Dinge tun, die wir tun?“
    Ich brachte ein kleines Lächeln zustande. „Da ist was dran.“
    Schweigend gingen wir weiter und passierten immer wieder neue Orte. Manche davon waren so wundervoll und üppig wie der erste Garten, andere erfüllt von Schmerz und Folter. Durch diese rannte ich förmlich hindurch, den Kopf eingezogen, während ich die Schreie zu ignorieren versuchte. Mit der Zeit verschmolzen sie alle miteinander, bildeten einen Chor der Schmerzen, und je mehr ich davon hörte, desto mehr war ich davon überzeugt, dass Henry und der Rat sich geirrt hatten. Ich könnte das niemals tun. Niemals würde ich Menschen zu ewigem Leiden verurteilen können, ganz egal, was sie verbrochen hatten.
    Die Zeit verlor jegliche Bedeutung, während wir immer weiter wanderten. James schien zu wissen, wohin er ging, und übernahm die Führung – sobald er sich sicher war, dass ich nicht versuchen würde, auszubüxen und den Leuten zu helfen, an denen wir vorüberkamen. Ava hing an meinem Arm. Irgendwann verlor ich den Überblick, durch wie viele Orte wir bereits gekommen waren – Dutzende? Hundert? Ich konnte mich nicht an alle erinnern. Meine Füße schmerzten, und mein Bein fühlte sich an, als würde der Knochen mit jedem Schritt, den ich tat, brechen. Endlich, mitten in einem Wald, hielt James an und legte seine Tasche auf den Boden. „Ich glaube, das ist ein guter Moment, um Pause zu machen.“
    Er begann Feuerholz zu sammeln, während ich mich auf einen Baumstamm fallen ließ und das Gesicht in den Händen verbarg. Ava setzte sich neben mich und streichelte mir den Rücken.
    „Ich kann das nicht“, flüsterte ich. „Ich weiß nicht, warum ihr geglaubt habt, ich wäre dazu in der Lage, aber ich kann’s nicht.“
    „Was kannst du nicht?“, fragte Ava sanft.
    „Ich kann nicht solche Entscheidungen treffen“, erklärte ich. „Ich kann nicht … ich kann niemanden in eine solche Verdammnis schicken. Es ist mir egal, was derjenige getan hat. Niemand hat so etwas verdient.“
    Selbstsüchtig fragte ich mich, ob es nicht der leichteste Weg war, mich Calliope auszuliefern. Dann würde ich zumindest nicht über die Unterwelt herrschen müssen. Im Nichts zu vergehen wäre ein Preis, den ich bereitwillig zahlen würde, wenn das bedeutete, dass niemals diese Milliarden von Leben auf meinem Gewissen lasten würden.
    „Du hast James gehört“, erwiderte Ava. „Das geschieht nur, wenn sie glauben, sie hätten es verdient.“
    „Und was, wenn sie es nicht verdient haben? Was, wenn sie das nur glauben, weil jemand es ihnen immer und immer wieder eingetrichtert hat?“
    Sie öffnete und schloss den Mund, und es dauerte einen Moment, bis sie darauf etwas erwiderte. „Ich weiß es nicht“, sagte sie. „Ich nehme an, das ist der Punkt, an dem ihr ins Spiel kommt.“
    Verbittert schüttelte ich den Kopf. „Niemand verdient irgendetwas. Es gibt niemanden, der das alles gegeneinander aufrechnet. Warum können nicht einfach alle bis in Ewigkeit glücklich sein, ohne dass auch nur einer leiden muss?“
    „Ich weiß es nicht“,

Weitere Kostenlose Bücher